David gegen Goliath - Apple im Kampf mit IBM

Kapitel 04

2. Ausgabe vom Dezember 2009

Am 12. Dezember 1980, weniger als vier Jahre nach der Vergesellschaftung des Unternehmens, wagte Apple den Sprung an die amerikanische Börse. Apple verkaufte 4,6 Millionen Aktien zu einem Preis von 22 Dollar je Schein. Schon am ersten Tag stieg der Aktienkurs auf 29 Dollar, womit Apple einen Marktwert von knapp 1,8 Milliarden Dollar aufwies. Damit wurden auf einen Schlag mehr als vierzig Apple-Mitarbeiter zu Millionären und Multimillionären. Viele der Angestellten waren damals noch sehr jung und hatten in den Jahren vor dem Börsengang grosse Aktienpakete zu äusserst tiefen Preisen erwerben können. Apples Aktieneinführung besass grossen symbolischen Charakter. Zum ersten Mal schaffte ein Garagenunternehmen aus dem Silicon Valley den Sprung an die Wall Street. Ausserdem war es der grösste Börsengang seit dem Jahr 1956, als Ford in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Somit wurde Apple für viele zu einem Sinnbild für die Verwirklichung des American Dream. Steve Jobs, der grösste Anteilhaber Apples, kam durch den Börsengang zu immensem Reichtum.

Als ich 23 war, hatte ich ein Nettoeinkommen von über einer Million Dollar. Mit 24 waren es mehr als 10 Millionen, und mit 25 hatte ich über 100 Millionen.

Steve Jobs

Obwohl Apples Börsengang ein voller Erfolg war und sich der Apple II nach wie vor hervorragend verkaufen liess (ca. 150’000 Exemplare bis dahin), blickte die Firma schwierigen Zeiten entgegen. Der Apple II wurde hauptsächlich von Bastlern, Privatanwendern und Schulen gekauft. In den Büros der amerikanischen Unternehmen konnte er sich hingegen kaum durchsetzen, dazu war der Apple II schlicht nicht geeignet. Ende 1980 zeichnete sich das Desaster mit dem Apple III bereits ab, somit stand Apple ohne Business-Computer da. 1981 schickte sich IBM an, mit einem eigenen PC den Business-Markt zu erobern. Am 12. August stellte «Big Blue» den 1’565 Dollar teuren IBM PC vor. Der kastenförmige Computer war ausgestattet mit einem Intel-Prozessor, einem Arbeitsspeicher von 16 Kilobyte und einem 5 1/4-Zoll-Diskettenlaufwerk. Im Preis inbegriffen waren sowohl ein Bildschirm als auch eine Tastatur. Obwohl der IBM PC aus veralteten Komponenten zusammengesetzt und in kürzester Zeit entwickelt worden war, war die Nachfrage riesig. IBM galt als seriöses amerikanisches Unternehmen und besass erst noch ein hervorragendes Vertriebsnetz. Somit verfügte IBM über beste Voraussetzungen, um im PC-Markt Fuss zu fassen. Da sowohl der IBM PC als auch das verwendete DOS-Betriebssystem von Microsoft für jedermann zugänglich waren, kamen innerhalb kürzester Zeit zahlreiche IBM-Clones auf den Markt.

Zwölf Tage nach der Präsentation des IBM PCs hiess Apple den Konkurrenten in einer ganzseitigen Anzeige im Wall Street Journal auf ziemlich überhebliche Art und Weise im Markt willkommen. Damals realisierte bei Apple noch niemand, dass Apple mit dem Rücken zur Wand stand und IBM im Begriff war, die Führungsposition im von Apple erschaffenen Markt der Personalcomputer an sich zu reissen.

Die hohen Tiere bei Apple, Scott und Markkula, glaubten, dass sich ihre überlegene Technologie auf dem Markt durchsetzen würde. Zu dieser Zeit arbeitete man bei Apple an einem neuen Computer, der 1981 oder 1982 auf den Markt kommen und den Apple II ablösen sollte. Das Projekt, auf dem die Hoffnungen des gesamten Unternehmens ruhten, bekam den Arbeitstitel LISA. Die Idee des LISAs entstand schon 1978, doch erst ein Jahr darauf begann man mit der Umsetzung. Das Ziel lag in der Entwicklung eines Computers, mit welchem man die Altlasten des Apple II hinter sich lassen konnte, der angestrebte Verkaufspreis lag bei 2’000 Dollar. Galt der LISA ursprünglich noch als verhältnismässig konservativer Ansatz, wurde das Projekt später zum ersten Computer einer völlig neuen PC-Generation.

Der Grund für diese Änderung der Ziele des LISA-Projektes lag nicht bei Apple, sondern beim Palo Alto Research Center (PARC). Das PARC wurde 1970 von Xerox gegründet und sollte als Forschungsstätte für Büro-Technik der Zukunft dienen. In den 70er-Jahren entwickelten die Wissenschaftler des PARC unter anderem erste Laserdrucker, Ethernet, eine objektorientierte Programmiersprache sowie das Konzept des Notebooks. Doch die vermutlich wichtigste Errungenschaft des PARC war der Xerox Alto, welcher 1973 entwickelt wurde. Der Alto war ein Computersystem mit einer objektorientierten Programmiersprache (Smalltalk) und einer grafischen Benutzeroberfläche. Das Betriebssystem war als Schreibtisch gestaltet, mit grafischen Symbolen, Menüs und einer Fensteroberfläche und unterschied sich damit grundlegend von den damals üblichen textbasierten Betriebssystemen. Als Eingabegerät verfügte der Alto über eine Maus mit drei Tasten. Einige Mitarbeiter Apples wussten um die Arbeit der Ingenieure bei Xerox und überzeugten die Führungsspitze von Apple, dem PARC einen Besuch abzustatten. Apple erhielt die Erlaubnis, das PARC zu besichtigen, wenn Xerox im Gegenzug für eine Million Dollar Apple-Aktien kaufen dürfe. So geschah es, dass Steve Jobs Ende 1979 zwei Mal die Xerox-Labors im PARC besichtigte. Als er den Alto mit all seinen Feinheiten und Raffinessen sah, da wusste er, wie der Personal Computer der Zukunft aussehen würde. Bei Xerox existierten keine Pläne, den Alto jemals als fertiges Produkt auf dem Markt anzubieten. Doch Jobs sah im Alto seine Vision eines anwenderfreundlichen Personal Computers und beauftragte das LISA-Team, an einer grafischen Benutzeroberfläche zu arbeiten, wodurch ein Grossteil der bis dahin geleisteten Entwicklungsarbeit verworfen wurde.

Als ich 1979 ins Xerox PARC ging, sah ich eine sehr rudimentäre grafische Benutzeroberfläche. Sie war weder vollständig noch fehlerfrei. Aber innert zehn Minuten wurde mir klar, dass eines Tages jeder Computer auf der ganzen Welt auf diese Art und Weise funktionieren würde. Man konnte darüber streiten, wie lange es bis dahin dauern würde oder wer die Gewinner und Verlierer sein würden. Aber ich denke, dass niemand bestreiten konnte, dass künftig jeder Computer so funktionieren würde.

Steve Jobs

Mit der Zeit wechselten zahlreiche Xerox-Ingenieure zu Apple, um dort am LISA zu arbeiten. Bald galt der LISA als eines der wichtigsten Projekte Apples und als Computertechnologie des kommenden Jahrzehntes. Michael Scott beobachtete Jobs’ Aktivitäten in der LISA-Abteilung zunehmend kritisch. Zwar ging Jobs in seiner Arbeit am LISA völlig auf, doch Scott wollte auf keinen Fall riskieren, dass Jobs ein Projekt von solcher Wichtigkeit zum Scheitern bringen würde. Steve Jobs war bereits für das Desaster mit dem Apple III verantwortlich, deshalb sollte er keinerlei leitende Position im LISA-Projekt erhalten.
Im Herbst 1980 unterteilte Michael Scott das Unternehmen in zahlreiche Divisionen, die sich an den Produktlinien ausrichteten. Das LISA-Projekt wurde zu einer eigenständigen Abteilung. Apple wollte sich für die Entwicklung des LISA genügend Zeit lassen, der Computer sollte möglichst perfekt und ausgereift werden. Auch wich die verwendete Software mit der Zeit immer stärker von derjenigen des Xerox Alto ab. Apples Programmierer übernahmen zwar einige grundlegende Ideen, verbesserten und ergänzten diese aber in jeder Hinsicht. Am 10. Oktober 1982 wurde der LISA zum ersten Mal den Apple-Vertragshändlern vorgeführt, bevor Apple ihn am 19. Januar 1983 auf der Aktionärsversammlung offiziell präsentierte.

Apple LISA

Apple LISA

Der LISA verfügte über ein Kunststoffgehäuse, in dem sowohl Bildschirm und Tastatur als auch zwei 5 1/4-Zoll-Diskettenlaufwerke mit je 840 KB Speicherkapazität untergebracht waren. Die technischen Daten waren beeindruckend: Ein 5 MHz schneller Motorola-68000-Prozessor trieb den mit 1 MB RAM und einer 5-MB-Festplatte ausgestatteten Rechner an. Auch der Bildschirm mit einer Grösse von 12 Zoll und einer Auflösung von 720x364 Pixel sowie das umfangreiche Softwarepaket bestehend aus Betriebssystem mit grafischer Oberfläche sowie zahlreichen Anwendungsprogrammen überzeugten. Der LISA erhielt von der Presse ausgezeichnete Kritiken und verkaufte sich in den ersten Wochen hervorragend. Es sah ganz danach aus, als hätte sich die jahrelange Entwicklungsarbeit, welche 50 Millionen Dollar verschlungen hatte, gelohnt. LISA war auf dem besten Weg, zu einem würdigen Nachfolger des Apple II zu werden.

Sollten wir, aus welchen Gründen auch immer, einen Riesenfehler begehen und gegen IBM verlieren, dann glaube ich, dass für die nächsten zwanzig Jahre ein dunkles Computer-Zeitalter anbrechen würde.

Steve Jobs