Apple: Seifenoper an der Börse

«Apple ist geliefert!»

Egal was Apple macht und erreicht — die Börse reagiert negativ.

Stefan Rechsteiner

Apple hat in der Nacht auf heute ein neues Rekord-Quartal bekanntgegeben. 54.5 Milliarden US-Dollar setzte der Mac-, iPhone- und iPad-Hersteller in den dreizehn Wochen zwischen Oktober und Dezember 2012 um. Es ist gerade drei Jahre her, als Steve Jobs noch berichten durfte, dass Apple nun eine Firma sei, die ein Jahresumsatz von über 50 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet — nun setzt Apple dies in einem einzigen Quartal um. Auf das ganze 2012 gesehen, hat Apple gar den grössten Jahresgewinn der Geschichte erreicht — Apple erwirtschaftete von Januar bis Dezember 2012 soviel wie noch keine andere Firma bisher. Während der Umsatz erneut kräftig anstieg (von 3.3 Milliarden pro Woche im Vorjahresquartal auf 4.2 Milliarden US-Dollar im vergangenen Quartal), stagnierte der Gewinn jedoch. Apple erreichte mit 13.08 Milliarden US-Dollar zwar den viertgrössten Quartalsgewinn der Geschichte, konnte gegenüber dem Vorjahr (13.06 Milliarden US-Dollar) beim Gewinn jedoch nur marginal zulegen.

Absturz

Innert zwei Stunden nach der Bekanntgabe dieser Rekord-Zahlen stürzte Apples Wertpapier im nachbörslichen Handel an der New Yorker Technologiebörse NASDAQ regelrecht ein: AAPL verlor über 50 US-Dollar beziehungsweise knapp 10 Prozent. Mit diesem Absturz verlor Apples Marktkapitalisierung fast 50 Milliarden US-Dollar an Wert. Das ist soviel wie die Smartphone-Konkurrenten NOKIA und RIM an der Börse gemeinsam wert sind. Ein Vergleich: Google legte am Montag zwar gute Zahlen auf den Tisch, verfehlte die Erwartungen der Analysten jedoch erneut — die Aktie konnte in der Folge trotzdem um 10 Prozent zulegen. «TV on Demand»-Anbieter Netflix machte einen schier inexistenten Gewinn, und die Aktie machte einen Sprung von 40 Prozent.

Mit einem aktuellen Aktienkurs von gut 463 US-Dollar dürfte Apple am heutigen Handelstag den Posten als «wertvollste an der Börse kodierte Firma der Welt» wieder an den Öl-Multi Exxon Mobil abgeben müssen.

Gründe

Der Einbruch des Apple-Aktienkurses dürfte mehrere Gründe haben. Zum einen machte Apple für das laufende Quartal nur noch eine Umsatz-Einschätzung, äusserte sich jedoch nicht konkret über den zu erwartenden Gewinn. Laut CFO Peter Oppenheimer soll das Vorsage-Modell nun realistischer sein als die bisher traditionell konservativen Einschätzungen. Apples Umsatz-Einschätzung für das laufende Quartal liegt im Bereich von 41 bis 43 Milliarden US-Dollar — und damit unter den bisherigen Erwartungen der Analysten. Die Marge soll derweil bei unter 40% bleiben — höchst-wahrscheinlich deshalb, weil die Produktionskosten für Geräte wie das iPhone oder iPod mini zu hoch bleiben.

Apple verkaufte im vergangenen Quartal 20 Prozent weniger Macs. Noch vor einem Jahr konnten während dem Weihnachtsgeschäft 5.2 Millionen Macs abgesetzt werden, zwischen Oktober und Dezember 2012 waren es ‘nur’ noch deren 4.1 Millionen Macs. Laut Apple ist dies (wie erwartet) hauptsächlich auf die nicht verfügbaren iMacs zurückzuführen. Der «All-in-One»-Desktop-Mac konnte zuerst während Wochen nicht gekauft werden. Seit die Modelle nun auf dem Markt sind, kämpft Apple mit einer schlechten Verfügbarkeit der neuen iMacs. Laut Apple dürfte diese schlechte Verfügbarkeit noch weiter anhalten.

Das iPhone und das iPad verkaufen sich zwar blendend — pro Sekunde verkauft Apple 10 iOS-Geräte! — doch die Absatzzahlen konnten die Analysten-Erwartungen nicht ganz befriedigen. Mit 47.8 Millionen iPhones und 22.9 iPads stellte Apple zwar neue Rekorde auf, aber beim iPhone erwarteten die Analysten mehr als 50 Millionen verkaufte Geräte. Beim iPad stellt sich zudem weiterhin die Frage, inwiefern das iPad mini den normalen iPad kannibalisiert. Apple listet die iPad-Verkäufe weiterhin als Ganzes auf, ohne dabei zwischen normalem iPad und iPad mini zu unterscheiden. Apple CFO Peter Oppenheimer sagte einzig, dass — wie erwartet — die Marge beim iPad mini «signifikant tiefer» sei, als der Durchschnitt bei Apple. Das iPad mini wird demnach für Apple mit einem aggressiven Preis verkauft. Zumindest aber dürfte Apple auf dem iPad mini nach wie vor eine gute Marge haben, anders als z.B. der Konkurrent Amazon, welcher das Kindle Fire wahrscheinlich mit einem Verlust verkauft.

<ironie>Grund zur Panik</ironie>

Apple hat seit der iPad-Vorstellung vor drei Jahren kein revolutionäres Produkt mehr auf den Markt gebracht. Apples Erfolg scheint nur durch deren Innovation gemessen zu werden. Wenn nicht bald die nächste Revolution folgt, scheint Apple «geliefert zu sein».

Der Quartalsgewinn stieg im Jahresvergleich um weniger als ein Prozent an. Das bei einer Firmen-Grösse wie derjenigen von Apple nach gesundem Menschenverstand kein exorbitanter Wachstum wie in den letzten sechs Jahren mehr möglich ist, scheint den Analysten fremd zu sein.

Für die Börse reicht es nicht mehr, wenn eine überaus gesunde Firma wie Apple die besten Unternehmenszahlen der Gesichte präsentiert.

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9 Kommentare

Kommentar von schn0rkel

Grundsätzlich interessanter Artikel - allerdings ignoriert der Autor hier ein paar wichtige Tatsachen:

  1. die Börse bewertet die Zukunft und nicht die Gegenwart.
  2. ein Unternehmen, das bei der Produktpalette nicht diversifiziert, ist de facto über kurz oder lang immer zum Scheitern verurteilt.

Die Zahlen sprechen leider Bände und vom besten Ergebnis der Firmengeschichte ist man weit entfernt, da der Quartalsbericht von Apple diese Mal primär ein Problembericht ist:

  1. produziert Apple viel zu teuer. Wenn dies in einem qualitativ sehr hochwertigen Produkt resultieren würde, könnte man das auch positiv sehen. Dem ist aber nicht der Fall. Das iPhone 5 ist unbestritten das bisher am schlechtesten gebaute IPhone. D.h, Apple lässt für zuviel Geld ein nur mittelmässiges Produkt herstellen

    • und das ist hier insgesamt das grösste Problem - sind die Absatzzahlen der Apple Rechner regelrecht eingebrochen. 1/4 weniger verkauft als im Vorjahr ist verheerend. Das ganze auf den iMac zu schieben ist ein haltloser Vorwand. Desktop Rechner verkaufen sich längst nicht mehr. Über 90% aller verkauften Rechner weltweit sind Notebooks. Das Problem ist nun, dass Apple sich de facto zum reinen Mobilfunkkonzern entwickelt hat und vom Portfolio her keine Backup Strategie mehr fahren kann. Der Mobilfunkmarkt ist derart volatil, dass selbst der Branchenprimus, welcher Apple längst nicht mehr ist, innerhalb eines Jahres komplett von der Bildfläche verschwinden kann (siehe RIM und Palm). Hier kommt die Bewertung der Zukunft ins Spiel: es muss jedem klar sein, dass Apples aktuelle Situation nicht aufgehen kann. Apple ist inzwischen sogar akut in Gefahr, in die Bedeutungslosigkeit zu verschwinden.

Und deswegen wird die Firma jetzt an der Börse abgestraft. Wenn Apple nicht innert Jahresfrist ein weiteres Killerprodukt lancieren kann (und zwar eines ausserhalb der Mobilfunksparte), wird es sehr schwer werden.

Kommentar von Ivo

@Schn0rkel: Finde Deinen Kommentar ziemlich treffend. Sehe es fast ähnlich.

Doch meinst Du nicht, dass der Absatzeinbruch im Rechnerbereich logisch erscheint? M.E. wird das in Zukunft noch verstärkt zunehmen, da die zwei Bereiche immer mehr zusammenwachsen. Computer- und Mobilesparten werden irgendwann nur noch einen Kanal darstellen. Derzeit wird einfach im Mobilebereich “mehr” entwickelt - da aus Sicht des Konsumenten hier mehr Bedarf/Nachfrage besteht. Aber wenn wir ehrlich sind, kann man bei iPhone und Co auch nicht mehr von einem Telefon sprechen. Ist ja schon ein Computer im Kleinformat.

Profilfoto von Stefan Rechsteiner

Kommentar von Stefan Rechsteiner

Danke für die Ergänzung, schn0rkel.

Meinst du nicht, dass schon fast egal in welchem Segment der Unterhaltungselektronik man heutzutage relativ schnell «weg vom Fenster» ist? Angenommen Apple würde eine revolutionäre TV-Lösung präsentieren — wäre dann die Situation in zwei, drei Jahre von heute nicht genau gleich wie jetzt beim Mobile-Segment?

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