Recht auf Vergessen bei Google: Gut 2 Prozent aller Anträge aus der Schweiz

Seit Mitte Mai wurden europaweit 70’000 Anträge auf die Löschung von Google-Suchresultate eingereicht. Aus der Schweiz kommen Anträge um die Löschung von über 7000 Links.

Stefan Rechsteiner

Mitte Mai entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem wegweisenden Urteil, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch für Suchmaschinenbetreiber gilt. Bürger in der EU haben seither das Recht, Resultate aus den Suchergebnissen von Google löschen zu lassen.

Von Mitte Mai bis Ende Juni sind europaweit über 70’000 Anträge auf die Löschung von über 267’000 Links bei Google eingegangen. Aus der Schweiz wurden in diesem Zeitraum 1645 Lösch-Anträge auf 7085 Suchergebnis-Links gestellt, berichtet die NZZ. Am meisten Anträge wurden aus Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und Grossbritannien gestellt.
Zum Anfang war der Andrang auf das neue «Recht auf Vergessen» immens: täglich wurden bei Google 12’000 Anträge gestellt, mittlerweile sind es täglich noch etwa 1000 Anträge.

Wie vielen Anträgen Google bisher nachgekommen ist, kommunizierte das Suchmaschinen-Unternehmen nicht.

Urteil auch in der Kritik

Zuerst wurde das Urteil des EuGH mehrheitlich willkommen geheissen, mittlerweile gibt es aber auch vermehrt Kritik am «Recht auf Vergessen». Zum einen werden die entsprechenden Links nur bei Google, dem «Vermittler», und nicht auf den Original-Seiten gelöscht. Zum anderen gilt die Regelung nur für die Europäischen Google-Seiten, nicht aber für Google.com, auf welcher die Resultate weiterhin verfügbar bleiben.

Des Weiteren kamen in den letzten Tage berichte auf, wonach über diese Bestimmung auch kritische Berichte gelöscht werden können. Das bringt auch Probleme mit der Medienfreiheit mit sich. Vergangene Woche berichteten britische Medien, das Recht auf Vergessen auch dazu eingesetzt wird, negative Presse über eine Person aus der Welt zu schaffen. Beispielsweise wurde der Hinweis auf ein kritischer Bericht über den früheren Chef der Investmentbank Merill Lynch von Google gelöscht. Im Bericht war die Rede davon, dass der Betroffene, Stanley O’Neal vom Bank-Vorstand aus der Bank gedrängt wurde, nachdem das Unternehmen Riesenverluste schrieb. Der Autor der betroffenen Kolumne, Robert Preston montiert in seinem Blog, dass dieser Artikel besser verfügbar bleibe und der Manager so «auf dem Radar der Öffentlichkeit» bleibt, da dieser «eine wichtige Rolle in einer der grössten Finanzkrise» gespielt habe. Auch «Daily Mail» und «Guardian» berichten über ähnliche Löschungen von relevanten Artikeln. Das «Recht auf Vergessen» wird damit ad absurdum geführt, wie die NZZ berichtete.
Mittlerweile hat Google die Löschung bei einem der britischen Artikel wieder rückgängig gemacht. Warum das Unternehmen seine Meinung geändert hat ist unklar — Google gab keine Gründe an.

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