iPhone 4S: Macht ein kleiner Buchstabe den grossen Unterschied?

15 Monate nach seiner Vorstellung hat das iPhone 4 endlich einen Nachfolger gefunden. Und zwar einen Nachfolger, welcher sich äusserlich nicht vom iPhone 4 unterscheidet. Damit lässt Apple all jene im Regen stehen, welche auf ein revolutionär neu gestaltetes iPhone 5 gehofft hatten. Kann diese Strategie trotzdem aufgehen?

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Mit dem iPhone bewegt sich Apple in einem extrem stark umkämpften Markt, den Apple vor vier Jahren zwar praktisch im Alleingang erschaffen hatte, nun aber gegen immer stärkere Konkurrenz zu verteidigen hat. Apple bekommt den Atem von Google, Samsung, HTC, Motorola und wie sie alle heissen immer deutlicher zu spüren. Die Android-Plattform bringt etwa jedes Vierteljahr ein neues Flaggschiff-Smartphone hervor, während Apple 15 Monate benötigt, um aus dem iPhone 4 ein iPhone 4S zu machen. Wie um alles in der Welt lässt sich das erklären?

Vergessen wir doch für einmal alles, was wir über sämtliche anderen Smartphones wissen. Vergessen wir das HTC Sensation und das Samsung Galaxy SII und richten unseren Blick einzig und allein auf das iPhone 4S. Weshalb misst das Display des iPhone 4S nur 3.5 Zoll? Ganz einfach: Weil Apple glaubt, dass 3.5 Zoll die perfekte Grösse für ein iPhone-Display ist. Als Apple das allererste iPhone entwickelte, bauten die Ingenieure unzählige Prototypen mit unterschiedlich grossen Displays. Klar, je grösser das Display ist, desto mehr Anzeigefläche steht zur Verfügung. Gleichzeitig wird aber die Multitouch-Bedienung umständlicher und das Gerät wird klobiger. Apple kam zum Schluss, dass die perfekte Displaygrösse für das iPhone bei 3.5 Zoll liegt. Seitdem besitzt jede iPhone-Generation ein Display mit exakt dieser Grösse. Wenn nun andere Hersteller meinen, mit grösseren Displays Kunden anlocken zu können, dann ändert dies offenbar nichts an Apples Überzeugung, wie ein perfektes iPhone auszusehen hat.

Diese Erkenntnis ist in meinen Augen die zentrale Botschaft der gestrigen Keynote. Cupertino lässt sich durch Google und Konsorten nicht vom eingeschlagenen Weg abbringen und zeigt kein Interesse daran, das Smartphone jedes Jahr neu zu erfinden. In der gesamten Geschichte des iPhones wurde das Apple-Mobiltelefon erst ein einziges Mal grundlegend umgestaltet, nämlich mit der Vorstellung des iPhone 4 im Sommer 2010. Alle zuvor erschienenen Modelle liessen sich äusserlich ebenso wenig voneinander unterscheiden wie nun das iPhone 4S vom iPhone 4. Es wäre für Apple ein leichtes gewesen, das iPhone 4S in ein neues Gehäuse zu packen und als iPhone 5 zu verkaufen. Damit hätte Apple im ersten Moment ganz sicher mehr Begeisterung geerntet.

Das iPhone 4S besitzt das Design des iPhone 4, weil Apple glaubt, dass dieses Design gut ist. So einfach ist die Geschichte. Irgendwann wird ganz sicher das iPhone (5?) mit neuem Design erscheinen, doch erst dann, wenn Apple die Zeit dafür gekommen sieht. Apple scheint es nicht für nötig zu halten, sein Smartphone-Konzept jedes Jahr über den Haufen zu werfen, nur um den Schein stetiger Innovation aufrecht zu erhalten. Ohnehin erscheint das Potential für signifikante Verbesserungen hinsichtlich des iPhone-Designs mit dem iPhone 4 ziemlich klein geworden zu sein. In Apples Augen bildet das iPhone 4 das derzeit beste Smartphone-Konzept und sowohl die Verkaufszahlen als auch die Kundenzufriedenheit stützen diese Ansicht.

Konzentriert man sich schlicht auf das, was das iPhone 4S zu bieten hat, dann kann sich Apples jüngster Wurf zweifelsohne sehen lassen. Gemäss Apples Sichtweise ist das iPhone 4(S) noch immer das dünnste Smartphone der Welt (wobei Samsung da anderer Meinung ist), hinsichtlich Optik und Verarbeitung braucht sich das iPhone jedenfalls vor keinem Konkurrenzprodukt zu verstecken. Dies gilt auch für das verbaute Display. Einigen mögen die von Samsung favoritisierten AMOLED-Displays mit ihren knalligen Farben besser gefallen, die von Apple verbauten und übrigens deutlich teureren IPS-LCD-Panels glänzen dafür mit hoher Pixeldichte und exakterer Farbdarstellung. Was die Power betrifft, braucht man sich um das iPhone 4S ohnehin keine Gedanken zu machen. Wie zahlreiche Vergleichstests gezeigt haben, muss sich selbst das iPhone 4 trotz deutlich schwachbrüstigerem Prozessor selbst von der neusten Generation an Android-Phones speedmässig nur um eine Nasenlänge geschlagen geben. Das iPhone profitiert unheimlich davon, dass sowohl das Chipdesign als auch das Betriebssystem aus einer Hand stammen. Dank dem A5-Chip dürfte sich das iPhone 4S vermutlich für einige Zeit die Speedkrone aufsetzen.

Egal, welche Komponente man betrachtet, das iPhone 4S besitzt praktisch keine Schwächen. Die Antenne wurde verbessert, eine deutlich bessere Kamera verbaut, der Speicher erweitert und die Akku-Laufzeit verlängert. Hinzu kommen die softwareseitigen Fortschritte durch iOS 5 und natürlich die iCloud. Und wie immer glänzt Apple mit einigen cleveren Detaillösungen, beispielsweise dem Gebrauch des Gyros zur Bildstabilisierung bei Videoaufnahmen. Das alles wird umrahmt vom nach wie vor in den Augen der meisten Entwickler und Anwender attraktivsten App-Store-Ökosystem.

Auf der einen Seite erscheint Apples Vorgehensweise mit dem iPhone 4S extrem mutig. Dass Apple auf die immer bedrohlicher wirkende Android-Konkurrenz mit einem iPhone reagiert, welches nicht nur sehr lange auf sich warten liess, sondern wie der Zwillingsbruder seines Vorgängers aussieht, mag frech, arrogant oder gar schlicht dumm erscheinen. Auf der anderen Seite ist es wunderbar wohltuend, wie Apple sich weder von den Medien, den Anwendern, den Analysten noch der Konkurrenz aus dem Konzept bringen lässt und einfach nur das tut, was die Firma aus Cupertino schon immer besonders gut konnte: grossartige Produkte entwickeln. Mit dem iPhone 4S demonstriert Apple eine herrliche Prise Understatement, gegründet auf die einfachste Logik der Welt: Wenn man das derzeit beste Smartphone-Konzept mit der aktuellsten Technik ausstattet, dann braucht man sich um das Ergebnis keine grossen Sorgen zu machen.

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20 Kommentare

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Kommentar von dag

toller bericht daniel, genau so sehe ich das auch. die design veränderung betrifft nicht nur das iphone. das sieht man auch im macbook pro, mac pro, cinema display und im ipad. an der aussen hülle wird nicht viel verändert. doch im inneren, gibt’s das neuste. und wer apple kennt, der weiss das man keinem gerücht glauben darf. keinem das apple nicht bestätigt. durch die medien sind die erwartungen zu hoch angesetzt worden. nun ist die enttäuschung gross. da sind wir leser auf eine art, und weisse auch selber schuld. ich persönlich bin froh das apple “fast” das gleiche design nutzt. so habe ich nicht das verlangen sofort ein neues iphone kaufen zu müssen. :-) !!

Kommentar von mkoehler

Ich hab den dringenden Verdacht, dass Siri in der Schweiz nicht zum Lieferumfang gehören wird. Genausowenig in Österreich. Ungeachtet der mehrheitlich deutschsprachigen Bevölkerung. Jedenfalls finden sich auf den Schweizer Apple Seiten zum iPhone 4S keine Hinweise auf Siri.

Ist das Nachlässigkeit oder was steckt dahinter. Ich mein Deutsch ist doch Deutsch. Auch in der Schweiz und Österreich…

Weiss jemand genaueres? Stephan vielleicht?

Kommentar von comexpert

Mein Eindruck in der ganzen Diskussion ist, dass die eigentliche Revolution mit dem 4s zu wenig erkannt wird: Siri nämlich, der Schritt in die künstliche Intelligenz und die Abkehr vom bisherigen Bedienkonzept eines Smartphones. Immer vorausgesetzt, die Software funktioniert auch tatsächlich so wie von Scott anlässlich der Keynote demonstriert: Hier geht Apple einen Schritt in die Zukunft, und der nächste wird folgen, wenn wir am Mac nicht mehr die Maus benützen, sondern nur noch «Neue Datei aus eigener Briefvorlage sagen» sprechen und zack – offen ist sie. Nicht zu erwähnen, dass Ihr dann auch nicht mehr in die Tastatur hämmert, sondern dem Mac diktiert… Voilà. Natürlich haben das schon andere vor Apple versucht, aber richtig geklappt hat’s nie. Und dafür steht der Apfel ja genau: Dass er Dinge marktfähig umsetzt, die man sich schon lange wünscht. Nichts für ungut also, aber beim 4s geht’s nicht um Downloadzeiten.

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