Schwarzmaler: Vermehrt kritische Stimmen zur Zukunft von Apple

Seitdem Apple mit den Quartalsergebnissen nicht mehr an die Wachstums-Zahlen der Vorjahre anknüpfen kann, mehren sich die kritischen Stimmen zur Lage von Apple. Während den meisten Analysten das «nächste grosse Ding» fehlt, kritisieren andere Steve Jobs’ Nachfolgeregelung. Was die meisten übersehen: Kontinuität ist in den vielen Fällen der erste Schritt in den Niedergang, die neuen Köpfe an der Spitze könnten Apple letztlich sogar gut tun.

Patrick Bieri

Als Oracles CEO Larry Ellison in einem Interview gefragt wurde, wie es mit Apple ohne Steve Jobs weitergehen würde, senkte er seine Finger und meinte, dass man dies schon wisse. «Man sah Apple mit Steve Jobs, dann ohne und später wieder mit. Nun kommt erneut eine Periode ohne Steve Jobs», wie der Tech-Unternehmer zu Protokoll gab. Damit brachte er klar zum Ausdruck, dass Apple seiner Meinung nach keine rosige Zukunft blüht.

In den letzten Wochen und Monaten mehrten sich die Berichte, welche sich kritisch mit der Lage von Apple auseinandersetzten. Insbesondere wird in der Presse immer wieder das Fehlen des «nächsten grossen Dinges» kritisiert. Kritiker sehnen den Zeiten hinterher, in welchen Steve Jobs in regelmässigen Abständen jeweils am Ende einer Keynote eine Überraschung ankündete. Inzwischen wird sogar die Verlängerung der Akkulaufzeit als Sensation gefeiert, wie ein Reporter der Zeit ächzte. Für andere stellen die in den letzten zwei Jahren vorgestellten Produkte lediglich eine kontinuierliche Verbesserung und Perfektionierung dar, jedoch ohne bahnbrechende Innovationen.
Mit dieser pauschalen Kritik an der Innovationsfähigkeit von Apple übersehen die Kritiker, dass Apple auch unter Steve Jobs nicht jedes Jahr ein «nächstes grosses Ding» ankündete. Stattdessen stellte sich ein Rhythmus von mindestens drei Jahren ein, in welchem neue wichtige Produkte vorgestellt wurden. Zwischen der Lancierung des iPods im Jahr 2001 und der Lancierung des iPhones 2007 vergingen beispielsweise sechs Jahre. Damit zeigt sich, dass auch Unternehmen wie Apple, welche als besonders innovativ gelten, nicht jeden Tag das Rad neu erfinden können (und müssen). Stattdessen sorgen überlegte Neuerungen für eine kontinuierliche Verbesserung des Nutzererlebnisses. Apples Konkurrent Microsoft zeigte mit der Lancierung von Windows 8, dass grosse Neuerungen auch Risiken mit sich bringen. Windows 8 ist trotz guter Kritiken in der Fachpresse bei den Nutzern durchgefallen, so dass sich Microsoft nun sogar gezwungen sieht, mit dem nächsten grossen Update einige Schritte zurück zu machen.

Hat Steve Jobs seine Nachfolge schlecht geregelt?

Auf Kritik stösst auch die Nachfolgeregelung von Steve Jobs. Anstelle den Aufbau eines geeigneten Nachfolgers konsequent anzugehen, habe Jobs das Unternehmen von sich abhängig gemacht, lautet der Vorwurf. Die konsequente Abschottung des Unternehmens mache Apple zudem abhängig von einigen wenigen genialen Köpfen. Verlässt einer dieser Köpfe das Unternehmen, hat dies weitreichende Folgen für den Konzern. Jobs Nachfolger Tim Cook ist für viele kein gleichwertiger Ersatz, weil ihm insbesondere das für Steve Jobs so typische Charisma fehle.
Hier verkennen Kritiker zum einen, dass genau die Fokussierung auf Steve Jobs über viele Jahre hinweg ein Erfolgsgarant für Apple war. Hätte Apple Steve Jobs nie die uneingeschränkte Macht an der Unternehmensspitze zugestanden, wäre der Mac-Hersteller vielleicht gar nie derart gross und populär geworden.
Zum anderen hatte Steve Jobs bereits vor seinem Tod Tim Cook mehrmals als interimistischen CEO eingesetzt. Tim Cook war so gut auf seine Rolle als Steve-Jobs-Nachfolger vorbereitet, wie man es eben sein kann. Und fairerweise ist neben Tim Cook auch Jonathan Ive noch zu erwähnen, welcher von Steve Jobs über Jahre hinweg stark gefördert wurde.

Tim Cook erklärte einst in einem Interview, dass ihn Steve Jobs dazu angehalten habe, nicht ständig daran zu denken, was er (Steve Jobs) getan hätte. Steve Jobs wollte nicht, dass Apple das Gleiche passiert wie dem Unterhaltungs-Unternehmen Disney, welches nach dem Tod des Gründers Walt Disney in eine Schockstarre verfiel. Für Jobs dürfte klar gewesen sein, dass sein designierter Nachfolger an der Spitze von Apple nicht über die gleichen Fähigkeiten verfügen kann wie er. Mit Tim Cook hat er allerdings einen Manager eingesetzt, welcher als einer der Besten im Silicon Valley gilt. Seine hervorragenden Kenntnisse der Zulieferbetriebe, welche den rasanten Aufstieg von Apple in den 2000er Jahren mit ermöglicht haben, werden wohl auch in Zukunft von grosser Bedeutung sein. Tim Cook ist zudem ein langjähriger Weggefährte von Steve Jobs, womit das Erbe des Apple-Gründers auch nach seinem Tod im Unternehmen bleiben dürfte. Neben Tim Cook ist mit Jonathan Ive ein kreativer Kopf im Unternehmen, welcher den zuweilen langweilig wirkenden Cook ideal ergänzt.

Im Moment scheinen zudem neben den Fähigkeiten von Steve Jobs auch andere Talente gefragt zu sein, um das Unternehmen vorwärts zu bringen. Das aktuelle Marktumfeld erfordert grössere Flexibilitäten, als es unter Steve Jobs je vorstellbar war. Noch im Jahr 2010 bezeichnete Apples Mitbegründer Steve Jobs ein Tablet mit einer Bildschirm-Diagonale von 7 Zoll als Totgeburt. Keine zwei Jahre später stellte Apple das kleine «iPad mini» vor, welches gemäss aktuellen Schätzungen für 40 Prozent des gesamten iPad-Absatzes verantwortlich ist. Indem Apple über den Schatten des Gründers gesprungen ist, wurde der Weg für die erfolgreichste Neulancierung seit dem Tod von Steve Jobs frei.

Ein weiterer Punkt, für den man Tim Cook nur loben kann, ist Apples verändertes Verhältnis zu den eigenen Investoren und Aktionären. Auch wenn Steve Jobs dieses Vorgehen abgelehnt hätte, lässt Tim Cook die Investoren über Dividendenausschüttungen an den riesigen Gewinnen Apples teilhaben. Mit dem Ausbau der sozialen Leistungen hat Tim Cook ausserdem einen wichtigen Schritt unternommen, um die Zufriedenheit der Apple-Mitarbeitenden zu steigern.

In China hat Apple seit dem Tod von Steve Jobs viel dafür getan, dass sich die Arbeitsbedingungen bei den Zulieferern verbessern. Das Unternehmen kontrolliert seine Zulieferer strenger und verpflichtet diese gleichzeitig zur Einhaltung höherer sozialer Standards, überdies ermöglicht Apple wesentlich mehr Transparenz was die Kontrolle der eigenen Geschäftspraktiken betrifft.

Schafft Apple den Übergang?

Die wohl wichtigste Frage für die Zukunft von Apple dürfte sein, ob es dem Unternehmen gelingen wird, den Übergang zum «normalen» Unternehmen reibungslos über die Bühne zu bringen. Aus vielen Kommentaren geht die Angst hervor, dass genau dieser Transformationsprozess das Ende von Apple bedeuten könnte. Dabei verkennt man allerdings, dass es über die letzten Dekaden hinweg nur wenigen Unternehmen gelang, mit dem gleichen Konzept erfolgreich zu bleiben. Durch Stillstand und die Fixierung auf alte Dogmen kommt vielmehr die Gefahr eines Zusammenbruches des Unternehmens auf.
Die aktuellen Führungspersonen wissen, dass sie nicht Steve Jobs sind und eifern auch nicht seinen Konzepten nach. Allerdings entwickeln sie das Unternehmen weiter, so wie es Steve Jobs bereits getan hat: still und kontinuierlich, ohne sich von aussen beeinflussen zu lassen. Der Umstand, dass Apples Führungsetage nicht auf jede Kritik reagiert, bedeutet noch lange keinen Stillstand im Unternehmen. Im Augenblick ist nicht abzusehen, dass Apple mit dem aktuell eingeschlagenen Kurs nicht auch in Zukunft erfolgreich sein sollte.

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