Erleben wir Steve Jobs’ letzte Keynote?

In diesen Tagen wird im Apple-Universum viel darüber diskutiert und spekuliert, welche Neuigkeiten Steve Jobs uns während der Keynote präsentieren wird. Unabhängig davon, welche neuen Produkte tatsächlich vorgestellt werden, ist es nicht ausgeschlossen, dass die Macworld-Keynote 2007 aus einem ganz anderen Grund in Erinnerung bleiben wird. Vielleicht erleben wir nämlich den letzten grossen Auftritt Steve Jobs’ als CEO.

Gründe, wieso Steve Jobs in den kommenden Tagen oder Wochen das Steuer aus der Hand geben könnte, gibt es mehrere:

Der Skandal um die zurückdatierten Optionen
Der Skandal rund um die zurückdatierten Optionen wird am Ende des Tages am CEO hängen bleiben, unabhängig davon ober sich selbst etwas zu Schulden kommen lies oder nicht. Der CEO hat für solche Verfehlungen unter seiner Aufsicht die Verantwortung zu tragen. Wäre Apple nicht Apple bzw. Steve Jobs nicht so eminent wichtig für das Unternehmen, würde kaum Zweifel darüber bestehen, dass seine Tage als CEO gezählt wären. In den USA bleiben solche Machenschaften normalerweise nicht ohne Folgen für den obersten Firmenchef.

Da Apple aber nicht irgendein Unternehmen ist und viele Beobachter sich Apple ohne Steve Jobs nicht vorstellen können, wäre es grundsätzlich ebenso denkbar, dass es gelingen könnte, den CEO aus der Schusslinie zu halten. Dennoch würde ein solches Verhalten das Vertrauen der Anleger in die Firma nicht stärken, insbesondere falls etwaige Verwicklungen Jobs’ in den Skandal auch nach Abschluss der Untersuchungen nicht gänzlich ausgeschlossen werden könnten. Selbst eine Einstellung des laufenden Strafverfahrens würde die Affäre nicht zwingend zugunsten Apples lösen. Sollten die Verfehlungen, welche einzelne Apple-Manager begingen, noch schlimmer sein, als wir bis jetzt annehmen, könnte sich das Unternehmen wohl nur durch ein neues, unbefangenes Management aus der Schlinge ziehen.

Steve Jobs Gesundheitszustand
Die Auftritte Steve Jobs im vergangen Jahr wirkten über weite Strecken nicht mehr so souverän wie in früheren Jahren. Offiziell soll sich Jobs, der im kommenden Februar seinen 52. Geburtstag feiert, bester Gesundheit erfreuen. Seine Verfassung, in der er sich im vergangenen Jahr in der Öffentlichkeit präsentierte, lassen zumindest Zweifel an der Richtigkeit dieser Information aufkommen.

Apples finanzielle Situation
Der Tag des Abschieds als CEO wird für Steve Jobs früher oder später kommen. Er hat es geschafft, Apple Computer aus einer wirtschaftlich schwierigen Situation zu befreien und innerhalb von nur zehn Jahren in ein äusserst profitables Unternehmen zu verwandeln. Durch den Erfolg des iPods und den Wechsel zu Intel-Prozessoren ist der Mac-Hersteller sehr gut im Markt positioniert. Ein (von aussen betrachtet) mehr oder weniger abrupter Abgang von Steve Jobs würde zwar Schockwellen im Apple-Universum verbreiten und die Aktien würden kurzfristig einiges an Wert verlieren, längerfristig betrachtet wäre der Schaden, welcher durch einen Wechsel an der Spitze des Unternehmens zum jetzigen Zeitpunkt ausgelöst würde, für die Aktionäre verschmerzbar.

Das Risiko von grösseren Kursverlusten im Falle eines mehr oder weniger plötzlichen Rücktritts des Firmenchefs besteht solange dieser an der Spitze des Unternehmens steht. Daher wäre ein sorgfältig geplanter Wechsel in der Chefetage wünschenswert. Schliesslich würde ein mehr oder weniger freiwilliger Rücktritt wohl weniger Schaden verursachen als ein erzwungener Abschied.

Auswirkungen auf das Presseecho
Sollte Steve Jobs’ Abgang tatsächlich bevorstehen, könnte Apple bewusst die Keynote nutzten, um die Bombe platzen zu lassen. Die Meldung vom Rücktritt des CEO würde ohne Zweifel alles andere, also auch alle neuen Produkte, welche an der Macworld Expo vorgestellt werden, in den Hintergrund rücken lassen. Auf den ersten Blick macht ein solches Szenario keinen allzu grossen Sinn, denn Apple ist ja bekannt dafür, dass sie mit den Keynotes und Special Events ein grosses Medienecho auslösen können und wollen. Worin liegt also der Sinn, wenn die Presse nur über den Abgang des Firmenchefs berichtet?

Was wäre, wenn iLife und iWork nur kleinere, urspektakuläre Updates sind und Leopard keinen grossen Neuerungen zu bieten hat, als diejenigen, die wir bereits kennen? Was wenn das «iPhone» (noch) nicht kommt und hinter «iTV» nicht viel mehr steckt als wir bereits wissen?

In einem solchen Szenario, das wohl für viele Mac-User unwahrscheinlich erscheint, das aber durchaus realistisch sein könnte, wäre es für das Unternehmen sogar von Vorteil, wenn die Öffentlichkeit von den wenig spektakulären Neuheiten abgelenkt würde.

Selbst wenn dieses Szenario nicht zutrifft und Leopard und Co. tatsächlich die sensationellen Neuheiten sein sollten, auf die Mac-User in der ganzen Welt hoffen, bedeutet das noch lange nicht, dass Steve Jobs auch noch die Keynote der Macworld Expo 2008 halten wird. In diesem Fall würde der Rücktritt einfach in ein paar Tagen oder Wochen angekündigt.

«The first 30 years were just the beginning»
«The first 30 years were just the beginning. Welcome to 2007» mit diesem Slogan wirbt Apple seit dem Neujahrstag auf seiner Homepage. Viele Beobachter sehen darin eine Anspielung auf grosse, neuartige Produkte, welche an der Macworld Expo vorgestellt werden. Vielleicht bedeutet die Botschaft lediglich, dass jetzt eine neue Zeitrechnung, nämlich die Nach-Jobs-Ära beginnt. Immerhin wurden die ersten 30 Jahre - trotz der fast zwölfjährigen Absenz in den achtziger und neunziger Jahren - ganz wesentlich durch Steve Jobs geprägt.

Von Thomas Zaugg
Veröffentlicht am

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