Mobiles Bezahlen in der Schweiz: Swisscom gibt nach, PostFinance startet, Apple Pay wartet

Noch bevor Apple Pay, Google Wallet oder Samsung Pay in der Schweiz lanciert werden, bringen sich verschiedene Schweizer Player auf dem Finanzmarkt in Position. Mit eigenen mobilen Bezahlsystemen wollen sie sich auf dem Markt breit machen, bevor die Grossen in der Schweiz an den Start gehen. Auf dem hiesigen Markt ist derzeit viel Bewegung zu beobachten. Nun hat die Swisscom ihr eigenes System zugunsten eines offenen Systems einiger Finanzinstitute aufgegeben, derweil lancieren andere Anbieter weiter eigene Systeme.

Stefan Rechsteiner

IT-Grössen wie Apple, Google und PayPal haben in den vergangenen Monaten mit mobilen Bezahldiensten für reichlich Wirbel gesorgt. Beispielsweise feiert «Apple Pay» in den USA bereits seit dem Start vergangenen Herbst grosse Erfolge. Um das Feld nicht gänzlich den Grossen zu überlassen, machen sich hierzulande zahlreiche Anbieter bereits vor dem Eintritt der IT-Giganten den Schweizer Markt streitig.

Auf ein gemeinsames System können sich die Schweizer Anbieter aber nicht einigen — stattdessen versuchen verschiedene Player eigene Systeme bei den Nutzern durchzusetzen. Nachdem in den vergangenen Monaten diverse Systeme lanciert wurden, stampft nun die Swisscom den eigenen mobilen Bezahldienst «Tapit» wieder ein. Stattdessen kooperiert der Telekomunikationsriese mit dem Finanzdienstleister SIX. Dieser hat im Verbund mit der UBS und der Zürcher Kantonalbank Anfang Sommer «Paymit» lanciert.

Mit «Paymit» wollen die beteiligten Finanzinstitute durch ein offenes System eine nationale Alternative gegen die internationalen Dienste wie Apple Pay, PayPal oder Google Wallet etablieren. Im Juli kündigten auch die Banque Cantonale de Genève, die Banque Cantonale de Vaudoise, sowie die Luzerner Kantonalbank und die Raiffeisen ihre Unterstützung für Paymit an.

Swisscom stampft «Tapit» ein

Zugunsten der anvisierten gesamtschweizerischen Lösung lässt Swisscom den erst vor gut einem Jahr lancierten eigenen Dienst «Tapit» fallen. Bis nächsten Sommer werden Tapit-Nutzer über den Dienst weiterhin Zahlungen ausführen können. Im Sommer 2016 wird Tapit, welches von der Swisscom ursprünglich für Coop entwickelt wurde, aber endgültig eingestellt.

Laut der Swisscom läge die Zahl aktiver Nutzer und Kreditkartenanbieter bei Tapit klar unter den Erwartungen, dies trotz intensiver Bemühungen seitens des Telekom-Unternehmens.

Auch ein Jahr nach der Lancierung ist der Dienst weiterhin nicht auf iPhones verfügbar. Grund dafür ist die von Tapit genutzte NFC-Funktechnologie. Der in den neuen iPhones integrierte NFC-Chip ist bisher nicht für Drittentwickler freigegeben. Einzig Apple kann die NFC-Schnittstelle der iOS-Geräte bisher nutzen.
Ausserdem konnte man die Banken nicht von Tapit überzeugen, so die Swisscom.

Paymit: Mit offenem System gegen die Grossen


Aktuell umfasst das Funktionsangebot von Paymit das Senden und Empfangen von Geldbeträgen über Smartphones. Ab nächstem Jahr sollen mit Paymit auch Zahlungen in Verkaufsläden und in Onlineshops ausgeführt werden können. Bisher sollen die Paymit-Apps der verschiedenen Anbieter bereits über 90’000 mal heruntergeladen worden sein. Über genaue Nutzungszahlen ist bisher jedoch nichts bekannt.

Die Swisscom plant für «Paymit» künftig auch Bonusprogramme, mit welchen bei Transaktionen beispielsweise Treuepunkte gesammelt oder Aktionen aktiviert werden können.

Durch die Unterstützung seitens Swisscom erhoffen sich die Paymit-Initianten eine schnellere Etablierung des mobilen Bezahldienstes auf dem Schweizer Markt. Der Telekomriese möchte nun auch noch weitere Banken mit an Bord holen.

PostFinance lanciert «Twint»

Doch auch wenn die Swisscom zum Paymit-Lager stösst, bleibt der Schweizer Markt gut bestückt an unterschiedlichen mobilen Bezahllösungen. Beispielsweise hat auch die Migros Bank vergangenes Jahr mit P2P einen eigenen Bezahldienst lanciert. Derweil propagieren die Kredkartenherausgeber MasterCard und Visa selbst die kontaktlose Zahlungsmöglichkeit neuer Kreditkarten.

Einen Tag nachdem die Swisscom das Ende von Tapit bekannt gegeben hatte, ist ein neuer mobiler Bezahldienst lanciert worden: Die PostFinance zeigte seinen «Twint» genannten Dienst. Dieser, bereits im Frühjahr angekündigte Dienst, steht als iOS- und Android-App seit letzter Woche für entsprechende Geräte zum Download bereit. Genutzt werden kann Twint bisher erst an wenigen ausgewählten lokalen Partnern in den Städten Bern und Zürich. Dort, vor allem in Restaurants und in kleineren Verkaufsläden, kann neu auch mit Twint bezahlt werden. In den nächsten Wochen sollen etwa 50 weitere Standorte in Basel, Bern, Genf, Lausanne, Luzern, St. Gallen, Winterthur und Zürich folgen. Für Oktober plant PostFinance einen flächendeckenden Rollout in der ganzen Schweiz.
Auch die Post und «verschiedene» Online-Shops konnte PostFinance bereits für Twint gewinnen — diese sollen, genauso wie Coop und die SBB, Twint derzeit als künftig mögliches Zahlungsmittel testen.

Noch im Verlaufe des Herbst soll Twint auch das direkte Übermitteln von Geldbeträgen unter Freunden (P2P) beherrschen, so die PostFinance.

Alles wartet auf Apples Markteintritt

Die Wettbewerber sind allesamt auf den Markteintritt von Apple gespannt. Sich bereits vorher in Position zu bringen sehen sie als Vorteil — auch, dass sie lokale Anbieter sind. Ein Sprecher der PostFinance sagte gegenüber inside-it.ch, dass sie als Schweizer «sicher Vorteile» gegenüber den US-Techgiganten haben werden. «Wir kennen den hiesigen Markt und haben drei Millionen Kunden».

Auch ein Sprecher der Migros Bank anerkennt gegenüber inside-it.ch Apple aber als «grosse Gefahr», zeigt sich aber auch zuversichtlich gegenüber einem möglichen Markteintritt von Apple. Grosse Marken würden «auch wieder verschwinden, wie man bei Nokia gesehen hat». Bestehen werde, wer langfristig Erfolg habe, so der Migros-Bank-Sprecher.

Die Entwicklungen beobachten alle Verantwortlichen aber genau. Wann Apple den mobilen Bezahldienst «Apple Pay» hierzulande lancieren wird, ist jedoch weiterhin unklar. Erst vor wenigen Wochen expandierte der Dienst erstmals — aus den USA auf die britischen Inseln.

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5 Kommentare

Profilfoto von spectre

Kommentar von spectre

Völlig einverstanden mit nightrider. Ich finde die Entwicklungen in diesem Bereich in letzter Zeit zwar äusserst spannend und hab Paymit auch schon ein zwei Mal benutzt. Twint hab ich mir heute installiert, kann aber ohne einen ausgedruckten, ausgefüllten, unterschriebenen und abgeschickten LSV Anstragsbrief an meine Bank die Sache gar nicht nutzen, da ich kein Postkunde bin.

Wenn diese «Hürden» bei den bisher bekannten Diensten aus der Schweiz bleiben, wird Apple sie praktisch über Nacht mit Apple Pay alle weg blasen wenn es erhältlich sein wird.

Die ganze Sache bleibt höchst spannend :)

Kommentar von KTM525

Ich erwarte das bald endlich Apple Pay kommt, auch in den Online Shops. Damit muss ich dann nicht mehr auf Paypal ausweichen.

Ich kann immer noch nicht verstehen, wieso man mit der CC bis zu 40.- einfach so bezahlen kann… ohne Autorisierung. Wer hat sich den Mist eigentlich ausgedacht? Es ist zwar bequem, aber die Karte verlieren ist eine kleine Katastrophe.

Kommentar von sierra

Die Freigrenze bei den Kreditkarten ist weltweit genormt für die Chiparchitektur. Bis anhin gibt es überhaupt keine klagen. Die Behauptung von Nightrider, dass die Lösung nur in der Schweiz funktioniert ist sicher falsch. Sobald die Lösung mit Bankkontenverbindung aktiviert ist - wird dies nicht mehr der Fall sein. Es wird wie bei Maestro dann eben 1 App geben die das auch kann. Apple hat in der Schweiz NULL Chancen. Die Kreditkartenfirmen benötigen 20 Jahre um gerade mal 10% des Zahlungsmarktes zu erreichen.

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Kommentar von mbl

Habe am Sonntag Twint installiert und gleich online registriert. Gab noch CHF 10 Guthaben hinzu. Ging eigentlich alles gut bis zum Bezahlen. Hat dann gar nicht funktioniert. Es musste ein TWINT Mitarbeiter kommen, hat einen One-Time-Code abgerufen, habe den eingegeben und konnte dann bezahlen. Dauerte aber sicher zwei Minuten (und diejenigen hinter mir in der Schlange haben wohl gestöhnt….).

Aber für den vollen Umfang von TWINT müsste ich mich wohl auch noch irgendwo ausweisen. Da mir die Zukunftsicherheit dieses Dienstes noch nicht gegeben ist, werde ich es aber auch nicht weiter nutzen.

ApplePay wird sich sicher durchsetzen, auch wenn ich es mangels Möglichkeit (habe immer noch ein 5er) nicht werde benutzen können.

Kommentar von DonRonny

Dieser Kommentar paßt nicht 100% in diesen Thread, aber da es um die Schweiz geht, packe ich ihn mal hier hinein:

Verstehen muß man so etwas nicht, die Hayeks sind an sich für gute Ideen und, von Swatch-Uhren abgesehen, für gute Produkte bekannt. Das ursprüngliche Konzept des Smart kam von Hayek sen., desgleichen das Billigknzept der Swatch-Uhrwn, darürber hinaus haben sie diverse Luxusuhren Labels und den größten Teil der Fabriken für manuelle, hochwertige Uhrenlaufwerke zusammen gekauft. Sie haben es wahrlich nicht nötig, als Wadenbeißer rumzukläffen, oder als Patentroll. Sie haben seinerzeit mit Apple keine Einigung gefunden, warum auch immer, also sollten sie es mannhaft tragen, wenn sie unter den Millionen an verkauften Apple-Watches auf der einen Seite bitterlich leiden, hne jedoch, was möglich gewesen wäre, säßen sie mit im Apple-Boot, auf der anderen Seiten wenigstens mitzuprofitieren. Erst verhindern sie den Vertriebstartnin der Schweiz für einge Monate, dann lassen sie ein wahrscheinlich ohnehin wirkungsloses Patent für Uhren in Liquid-Metall eintragen; damals schüttelte schon manch einer den Kopf und sagte diesen Asterix/Obelix-Spruch auf- na sie wissen schon…..die spinnen doch, die Römer! Nur das diese Leute statt Römer einen Familiennamen einsetzten. Wie auch immer, das konnte man alles noch mit Humor und Sportsgeist nehmen, nur das sie jetzt auch noch mit dieser “One Thing more” Sache anfangen, das ist in meinen Augen und in denen vieler Anderer unterste Schublade.

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