Apple loves Pros

Das ewige Problem von Apple

Apples ewiges Problem hat wieder zugeschlagen: Apple scheint - egal ob in den 80ern oder den vergangenen Jahren - immer das Problem zu haben, sich für ein Segment zu entscheiden: Pro oder Consumer.

Stefan Rechsteiner

Bereits 2003 gab es dieses Problem. Damals kam der iPod mächtig auf und Professionelle - vor allem aus der Kreativ-Branche - verloren allmählich das Vertrauen in Apple. Die Spitze war erreicht, als einige der grossen Schweizer Medienhäuser sich vom Mac verabschiedeten und künftig nur noch auf eine reine Windows-Umgebung setzen wollten. Damals zeigte sich, wie wichtig die «Pros» für Apple sind - denn Apple lud kurz darauf zum «Apple Publishing Day» ein, zu dem hochrangige Apple-Mitarbeiter nach Zürich reisten um der Welt der Pros zu zeigen, wie viel Apple nach wie vor an den Pros liegt. Die Ängste waren damals nicht unbegründet, aber zumindest nicht so markant wie heute. 2003 war vor allem der iPod aufgekommen, gleichzeitig verfügte Apple aber über eine gute Pro-Palette und konnte diese auch kurz darauf mit dem Power Mac G5 weiter ausbauen. Das ganze war damals eher ein durch die Medien, die vor dem G5 vor allem den iPod beleuchteten, geschaffenes «Problem».

Heute sieht man zwar Parallelen zu 2003 (iPhone regiert die Medien), aber gleichzeitig auch einige zuweilen noch gedanken-zerbrechendere Anzeichen dafür, dass Apple schlichtwegs ein Problem zu haben scheint: Entweder man fokussiert sich total auf Pro oder eben auf die Consumer.

Dies hat sich gestern noch weiter verdichtet. Während der iMac bereits seit einem Jahr nur noch mit verspiegeltem Display angeboten wird, kommen nun schleichend auch alle anderen Geräte «mit Display» zu verspiegelten Anzeigeflächen. Das MacBook wird schon länger mit Glossy-Displays angeboten, hier ist dies aber nicht so ein Problem, denn die MacBooks (früher iBooks) zielen nicht auf das Pro-Segment, sondern auf die Otto-Normalverbraucher ab. Dort ist ein kalibrierter Bildschirm nicht zwingend bzw. die meisten wissen nicht mal, dass man die Farbbalance des Displays verändern kann. Das Glossydisplay wird erst dann zum Problem, wenn es in Geräten verbaut wird, die von Professionellen benutzt werden, also iMac, MacBook Pro und die Cinema Displays. Optional wird das MacBook Pro auch schon länger mit Glossy-Bildschirm angeboten - dies wohl vor allem für Consumer, denen das MacBook zu wenig bietet und sich nichts aus den durch Verspiegelungen verfälschten Farben und Tiefen der Glossies machen und deshalb zum «farbenfroheren und satteren» Glossy greifen. Pros jedoch dürften nur wenige rumlaufen, die sich bisher ein MacBook Pro mit Glossy zugelegt haben. Der iMac wird dank seinem hervorragenden Leistungs- und Preisverhältnis immer mehr im Pro-Segment eingesetzt. Viele Medienhäuser zum Beispiel schwören auf den iMac - zumindest als dieser noch weiss war und über ein Kunststoff-Display verfügte. Seit einem Jahr nun wird der iMac nur noch mit Glossy und zudem noch einer davor angebrachten Glasscheibe angeboten. Letzteres macht es unmöglich, das Display zu entspiegeln - wodurch der neue iMac in der Grafikbranche wohl nur noch an Orten zum Einsatz kommen kann, bei denen die Lichtverhältnisse entsprechend berücksichtigt werden können.

Nun wagte sich Apple gestern auf den Kriegsfuss mit den Professionals: die neuen MacBook Pros werden ausschliesslich mit Glossy-Displays mit vorgesetztem Glas angeboten. Auch das neue, extra für MacBooks und MacBook Pros entworfene, erste LED-basierende Cinema Display von Apple ist nur verspiegelt mit vorgesetztem Glas erhältlich. Somit sind die derzeit noch auf dem Markt befindlichen Cinema Displays (welche wohlbemerkt auch schon seit 1.5 Jahren nicht mehr aktualisiert wurden), die derzeit einzigen matten Displays, die Apple noch im Angebot hat. Es darf davon ausgegangen werden, dass Apple auch diese Relikte binnen der nächsten drei Monate (also bis spätestens zur MacWorld in San Francisco im Januar) einstampfen und eine LED-Reihe anbieten wird. Versteht sich natürlich von selbst, dass diese dann mit Glossy und vorgesetztem Glas ausgerüstet sein werden. Somit wird spätestens ab Januar 2009 jedes Produkt von Apple mit Glossy ausgeliefert - spätestens dann wird es wiederum zu einer Pro-Krise kommen, wenn diese nicht bereits seit gestern im Gange ist.

Die Gründe, warum Apple nur noch Glossy verwendet und diesen zudem ein Glas vorsetzt, sind etwas irreführend. Apple selbst begründet den Glossy-Schritt beim MacBook Pro damit, dass es ein Kundenwunsch sei und man die Reflexion auf den Bildschirmen dadurch kompensieren könne, dass das Display heller und die Farben satter seien. Für Pros sind dies natürlich keine Argumente, sondern schlechte Ausreden. Einem Fotografen, der gerade unterwegs seine Fotos bearbeiten muss oder einem Grafiker, der im Büro am nächsten Projekt arbeitet, bringt ein Display, das nur unter grossem Aufwand zu kalibrieren ist und jegliches Licht reflektiert, nichts - auch wenn das Display die Farben satter darstellt…

Apple scheint total verbissen in den Consumer-Markt zu sein. Dank dem grossen Medienauflauf durch den iPod und das iPhone und den immer besseren Mac-Verkäufen scheint Apple das Pro-Segment immer mehr zu vernachlässigen. Das ist sehr gefährlich, waren die «Professionals» - die Kreativen - doch immer eines der wahren Standbeine von Apple.

Nebenbei: Für alle, die Apple mitteilen möchten, dass es nicht nur Glossies für MacBook Pros geben sollte, kann eine dafür eingerichtete Online Petition unterzeichnen.

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65 Kommentare

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Kommentar von KTM525

Bei Glossy screen gibt es nur ein Problem: Die Reflexionen. Die sind nun halt einfach störend und wenn man 8-10h am Tag davor sitzt auch noch anstrengender für die Augen. Das Apple neben dem Glossy Screen auch noch einen spiegelnden Rand verbaut hat zeigt ganz einfach, dass es Apple mehr um den “First look” und den “Bling” geht und weniger um die Alltagstauglichkeit.  Ein Pro Gerät muss alltagstauglich sein.

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Kommentar von KTM525

Das Software ein Verlustgeschäft ist, das ist mir neu. Vielleicht sollte man das einmal Adobe oder Microsoft sagen. Auch Apple wird mit OS X, FCP,... kein Geld verlieren. Die Entwicklung dürfte alleine mit den update Packages bezahlt sein und natürlich ist OS X auch bei einem neuen Rechner nicht gratis, das bezahlt man mit.

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Kommentar von sambamac

@alex: Viele meiner Freunde und Kollegen ( vielleicht nicht representativ   ) haben sich für Apple wegen OS X entschieden. Das Trauerspiel, dass Mircosoft veranstaltet mit ihrem Vista, hat viele (Privat)Anwender in die Arme von Apple getrieben.
Und ich habe ja auch nicht gesagt, dass ich FW400 will. FW800 ist abwärtskompatibel und wäre für das MB ein weiteres Verkaufsargument gewesen (vielleicht nur 30%, aber immerhin). Der Vorteil wäre auch, dass es (scheinbar) nur ein FW800 auf FW400 Kabel benötigt. Man denke doch auch an die Camcorders. Viele (auch die Neuen) funktionieren nachwievor über FW. Ebenfalls wären die Kollegen der Musikbranche nicht unglücklich gewesen, nicht unbedingt ein MacBook PRO zu kaufen. Manchmal will man eben nur so viel Geld wie nötig ausgeben.

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Kommentar von sambamac

@stefan: Es ist doch etwas anderes FW gegen USB beim iPod auszutauschen, als das FW beim MacBook wegzulassen. Der iPod ist ein Unterhaltungselektronik-Artikel und muss für möglichst alle Plattformen kompatibel sein. Deshalb denke ich, war der Entscheid beim iPod richtig. ITunes spielte dabei sicherlich eine wichtige Rolle, weil es ja für beide Plattformen existiert. Apple wollte es den Käufern bei der Entscheidung einfacher machen und verlangte nicht, dass die Windows-Benutzer sich zuerst eine FW-Karte kaufen müssen, um anschliessend die heruntergeladene Musik auf den iPod laden zu können.

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