Sexting: Problem oder Medien-Hype?

In der letzten Woche wurde ein Mann zu einer 4.5-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt, weil er drei junge Frauen mit Nacktbildern erpresst hat. Spätestens seither ist der Begriff «Sexting» in aller Munde. Genaue Zahlen über die Verbreitung des Phänomens fehlen zwar, jedoch fordern Politiker Massnahmen gegen das Problem.

Patrick Bieri

Ein Fall aus dem Kanton Zürich zeigte in der letzten Woche auf eindrückliche Weise, welche Gefahren sich Personen aussetzen, die intime Bilder an andere Personen verschicken. Nachdem der Täter sein 15-jähriges Opfer unter einem Vorwand zur Aufnahme von intimen Fotos animiert hatte, erpresste dieser das Opfer während mehr als einem Jahr. Innerhalb dieses Zeitraums schickte die junge Frau dem Täter mehr als 700 Bilder und 100 Videos.

Neben diesem grossen Fall erpresste der gleiche Täter auch noch zwei weitere junge Frauen, von welchen er ebenfalls intime Fotos erpressen konnte.

Nationalräte wollen gegen Sexting vorgehen, Bundesrat bleibt zurückhaltend

Auch aufgrund dieses Falles rückte das Thema «Sexting» in den vergangenen Tagen vermehrt in den Fokus der Öffentlichkeit. Unter diesem Begriff versteht man das Versenden von erotischen Selbstaufnahmen mit dem Mobiltelefon oder dem Computer.

Verschiedene Politiker wollen nun aktiv werden, damit das Phänomen bekämpft werden kann. Vor wenigen Tagen hat die Nationalrätin Viola Amherd eine Motion mit dem Titel «Sexting bekämpfen» eingereicht. Insgesamt acht Mitunterzeichnende unterstützen die Nationalrätin bei ihrem Engagement gegen Sexting.

Im Gegensatz zu diesen Parlamentariern sieht der Bundesrat keinen speziellen Handlungsbedarf in diesem Bereich. Gemäss der Regierung reicht das geltende Strafrecht aus, um die Täter zu bestrafen. Der Bundesrat kann sich allerdings vorstellen, die Jugendlichen im Rahmen des Programmes «Jugend und Medien» für das Thema zu sensibilisieren.

Keine genauen Daten: Ist Sexting tatsächlich ein Problem?

Weil der Begriff «Sexting» nicht definiert ist, ist im Moment auch völlig unklar, wie gross die Verbreitung dieses Phänomens tatsächlich ist. Während der Begriff bei einer weiten Auslegung jegliches Versenden von anzüglichen Bildern beinhaltet, beschränkt sich die engere Definition auf den Missbrauch der intimen Bilder und Videos.

«Sexting ist an fast allen Schulen ein Thema», wie Laurent Sédano, ein Experte für Medienbildung bei der Pro Juventute, gegenüber der NZZ sagte. Auch er kann allerdings keine Zahlen nennen, wie oft das Verschicken von intimen Fotos zu einem Missbrauch führt.

Plakat der Präventionskampagne der Pro Juventute gegen «Sexting»

Die meisten wissen, wie sie mit ihren Daten umgehen müssen

Im Jahr 2013 stieg die Anzahl der Fälle an illegaler Pornografie um 56 Prozent, wie Martin Böss, der Geschäftsführer der Schweizerischen Kriminalprävention, gegenüber der NZZ bestätigte. Die grosse Zunahme dürfte zu einem beträchtlichen Teil durch die höhere Kontrollrate der Polizei begründet sein. Die Polizei kontrolliert immer mehr Mobiltelefone, auf welchen strafbare Materialien gespeichert sind. Über den Nachrichtenverkehr gelangen die Ermittler anschliessend zu weiteren Personen, welche strafbares Material besitzen.

Unter Jugendlichen ist es gemäss Böss in Mode, Bilder, oftmals zum Vertrauensbeweis, auszutauschen. Trotzdem wissen die meisten Jugendlichen, wie sie mit ihren Daten umgehen müssen. Für Böss gehören Opfer von Sexting zu den Einzelfällen. Trotzdem haben die entsprechenden Fälle oftmals traumatische Folgen für die Opfer. Auch im aktuellen Prozess wurde die seelische Belastung der Opfer deutlich. So geriet das dritte Opfer so stark unter Druck, dass sie an Suizid dachte.

Sexting-Debatte teilweise inszeniert?

Für den Jugendpsychologen Allan Guggenbühl wirkt die aktuelle Sexting-Debatte teilweise inszeniert. Für ihn bildet dieses Thema eine ideale Plattform, damit sich «Medien, Politiker und sozial Tätige profilieren können». Die meisten Jugendlichen wissen, wo die Grenzen sind und verhalten sich besser, als es die Erwachsenen erwarten, wie Guggenbühl seine Position in der NZZ ausführte.

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3 Kommentare

Profilfoto von Oliver R.

Kommentar von Oliver R.

Ja genau, wir brauchen Gesetze weil sich viele (junge) Leute keine Gedanken machen über was sie tun - und weil die Eltern nicht an eine entsprechende Sensibilisierung ihrer Kinder denken.

Bullshit. Gut geht es durch die Medien - und hilft hoffentlich dem ein oder anderen sein Hirn wieder einzuschalten im Umgang mit Social Media. Finde das Argument vom Bund genau richtig, das Thema im Rahmen einer Kampagne für Jugendliche zu thematisieren. Aber es braucht sicher kein Gesetz hierfür, zumal es in einem Erpressungsfall oder sogar schlimmer bereits mit der aktuellen Gesetzeslage abgedeckt sein sollte.

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