Verlängerte Gewährleistungsfristen: Swisscom will sich weiterhin nicht ans Gesetz halten

Auf den Beginn des Jahres 2013 wurden die Gewährleistungs-Fristen verlängert.. Seitdem hat jedes neu gekaufte Produkt grundsätzlich zwei Jahre Garantie. Diese zweijährige Frist gilt auch für Geräte, die vor dem 1. Januar 2013 gekauft worden sind. Bislang haben sich sämtliche betroffenen Provider geweigert, die verlängerte Gewährleistungfrist anzuerkennen. Orange und Sunrise haben nun auf Druck des Konsumenten-Magazins Espresso eingelenkt.

Patrick Bieri

Auf den 1. Januar 2013 wurde das Obligationenrecht (OR) überarbeitet. Seitdem beträgt gemäss Art. 210 Abs. 1 OR die Gewährleistungsfrist zwei Jahre. Innerhalb dieser zwei Jahre muss der Verkäufer Gewähr bieten, dass das Gerät mängelfrei übergeben worden ist.
Bis Ende 2012 gab es gesetzlich lediglich eine Gewährleistungsfrist von einem Jahr.

Bei dieser Revision wurde nicht geregelt, was mit Gewährleistungsfristen passiert, die am 1. Januar 2013 noch liefen. Dies betrifft beispielsweise alle iPhones, die im Jahr 2012 gekauft worden sind. Nach Art. 49 Abs. 2 SchlT ZGB beginnen die Verjährungsfristen beim Inkrafttreten des neuen Gesetzes wieder neu zu laufen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes hätten iPhones, die im Jahr 2012 gekauft worden sind, Garantie bis Ende 2014.

Sinneswandel bei Orange

Bereits im Februar konfrontierte macprime die Telekom-Provider mit dieser Problematik.

Orange stellte sich damals auf den Standpunkt, dass die einjährige Gewährleistungsfrist für alle Apple-Produkte gelte, die vor dem 1. Januar 2013 gekauft worden sind. Das Unternehmen verwies in einer Stellungnahme auf die AGBs, die bei jedem Kauf ausgehändigt werden.

Gegenüber dem SRF-Konsumenten-Magazin Espresso beurteilt Orange die Rechtslage nun anders. Oranges Mediensprecherin sagte gegenüber dem Magazin, dass «die einjährige Gewährleistungsfrist automatisch auf zwei Jahre verlängert wird, sofern (...) die einjährige Frist noch am Laufen ist.»

Sunrise entscheidet «im Sinne des Kunden»

Espresso hat sich auch bei Sunrise erkundigt, wie das Unternehmen reagiert hätte, wenn ein Kunde seine Gewährleistungsansprüche für ein im Jahr 2012 gekauftes iPhone stellt. Das Unternehmen hätte gemäss eigenen Aussagen den Gewährleistungsanspruch gewährt. Dabei handle das Unternehmen im Sinne des Kunden, wie Sunrise betont.

Bei Sunrise war man sich bereits im Februar im Klaren, dass in der Lehre ein Rechtsstreit besteht, wie diese Fälle behandelt werden müssen. Damals wollte das Unternehmen den Anspruch nicht gewähren. Stattdessen verwies man auf Apple.

Swisscom verweigert längere Gewährleistungfrist

Anders als Orange und Sunrise verweigert die Swisscom weiterhin eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist. Das Unternehmen beruft sich dabei auf die AGBs. Beim Kauf eines Apple-Produktes sei eine Garantieverlängerung ausdrücklich ausgeschlossen worden, wie das Unternehmen gegenüber Espresso betont.

Damit bleibt die Swisscom der Argumentation gegenüber macprime.ch vom Februar treu. Die Swisscom stellte sich auf den Standpunkt, dass die beim Kauf getroffenen vertraglichen Abmachungen der neuen gesetzlichen Regelung vorgehen.

Unerwähnt bleibt in beiden Stellungnahmen der Swisscom, dass diese rechtliche Auffassung nicht dem Wortlaut des Gesetzes entspricht. Zudem scheint eine Mehrheit der juristischen Fachpersonen der Ansicht zu sein, dass die Beurteilung der Swisscom falsch ist.

Apple akzeptiert die lokale Gesetzgebung

Mehr Glück haben Kunden, die ihr Gerät bei Apple selbst gekauft haben. Auf Anfrage von Espresso bestätigte das Unternehmen, dass die Apple-Store-Kunden von der Garantieverlängerung profitieren. Man akzeptiere bei Apple die lokale Gesetzgebung, wie das Unternehmen weiter betonte.

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3 Kommentare

Kommentar von PhosGN

Eine Gewährleistung ist nicht gleich Garantie. Die Gewährleistung definiert nur eine Nachbesserungsverpflichtung für Mängel, die zum Zeitpunkt des Kaufes bereits bestanden haben! Versagt das Gerät nach dem Kauf fällt dies nicht mehr in die Gewährleistungspflicht, sondern wird von einer allfälligen zusätzlichen Garantie (nicht Pflicht laut CH-Gesetz) abgedeckt. AppleCare+ ist eine solche Garantie.

Profilfoto von Patrick Bieri

Kommentar von Patrick Bieri

@PhosGN: Für Konsumenten ist die Unterscheidung zwischen der gesetzlichen Gewährleistung und der vertraglichen Garantie sehr schwierig. Aufgrund dessen habe ich die Begriffe in diesem Artikel als Synonyme verwendet — auch wenn dies juristisch nicht korrekt ist. Meiner Erfahrung nach sind sich die Verkäufer in Geschäften meist nicht bewusst, wie sich eine vertragliche Garantie von der Sachgewährleistung unterscheidet.

Die gesetzliche Sachgewährleistung nach OR 197 ff. gilt für alle Mängel, die bereits beim Kauf bestanden haben. Der Mangel muss beim Kauf «im Keim vorhanden sein». Die Gewährleistung gilt auch, wenn der Mangel erst später entdeckt wird resp. erst später auftaucht. Sobald der Schaden auftritt, muss dieser allerdings gemeldet werden.

Bei der vertraglichen Garantie kommt es auf den Inhalt der Garantie an. Manchmal können dort die Kunden bis zum Ende der Garantie ihre Ansprüche geltend machen, auch wenn der Mangel bereits zuvor aufgetreten ist.

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