Wann kommt das nächste OS X?

Die nächste Raubkatze steht vor der Türe.

Vor gut einem Jahr überraschte Apple die Branche mit einer Vorschau auf OS X Mountain Lion. Apple gewährte den ersten Blick auf die neue Version des Mac-Betriebssystems erstmals nicht öffentlich gross inszeniert an einem Event wie der Entwicklungskonferenz, sondern gewährte ausgewählten Medien eine exklusive Vorschau auf «Mountain Lion». Gleichzeitig kündigte Apple an, dass künftig im Jahrestakt ein neues Mac-Betriebssystem auf den Markt kommen wird. Es ist März. Wir warten.

Stefan Rechsteiner

Release-Zyklen

Wenn wir die letzten Mac-Betriebssysteme «Lion» und «Mountain Lion» als Beispiel nehmen, dann ist Apple mit einem neuen OS X 10.9 aktuell bereits in Verzug: von beiden Systemen wurde jeweils im Februar eine erste Vorabversion an Entwickler verteilt — und beide Systeme kamen im darauf folgenden Sommer in den Handel. Bei Lion war es 2011 der 24. Februar, bei Mountain Lion 2012 der 16. Februar, an dem die Entwickler Zugriff auf die Beta-Version erhielten. Die Pläne für «Lion» wurden zwar bereits im Oktober 2010 angekündigt (beim Special Event «Back to the Mac»), aber erst im Februar wurde eine Beta-Version an Entwickler verteilt.
Bis zur finalen Version dauerte es bei Lion 146 Tage, ehe es am 20. Juli 2011 veröffentlicht wurde. Mountain Lion reifte innert 161 Tagen von der ersten Beta zur finalen Version heran — der Berglöwe wurde entsprechend am 25. Juli 2012 veröffentlicht.

Laut den Apple-Aussagen vom letzten Jahr soll der «Jahrestakt» natürlich nicht auf den Tag genau interpretiert werden — man nehme sich die Flexibilität «eines Monats hier oder eines Monats dort».

Ausgegangen von Apples eigener Aussage und dem Vorbild der letzten beiden Betriebssysteme könnte OS X 10.9 in den nächsten Wochen erscheinen. Ausgegangen von der bisherigen Reife-Dauer würde das neue OS dann Anfang oder Mitte August veröffentlicht.

Vorteile und Nachteile schneller Releases

Apples Entscheid, künftig im Jahrestakt ein neues Mac-Betriebssystem auf den Markt zu bringen hat (wie wohl alles) Vor- und Nachteile. Ganz klar wird Apple diese Entscheidung von der immer schneller laufenden IT-Branche aufgedrängt. Ein gutes Beispiel ist die Mobiltelefon-Branche: Bereits seit der Einführung des iPhones setzt Apple hier auf einen Jahreszyklus. Jedes Jahr gibt es ein neues iPhone-Modell und auch eine neue iOS-Version. Dieses Tempo wird nun auch auf die Computer appliziert — auch hier erwartet die Öffentlichkeit diese schnelle Innovation und diesen schnelleren Fortschritt.

Konkurrent Microsoft hat letztes Jahr ebenfalls angekündigt, nun im Jahrestakt neue Windows-Versionen auf den Markt zu bringen. Der Windows-8-Nachfolger namens «Blue» soll demnach bereits in diesem Sommer veröffentlicht werden.

Ein Vorteil dieser neuen Geschwindigkeit ist natürlich der schnellere Fortschritt für den Benutzer. Dieser kommt schneller in den Genuss neuer Funktionen. Doch auch die Nachteile sind nicht zu ignorieren — Stichwort: «Fragmentierung». Nur weil neue Betriebssystem-Versionen auf den Markt kommen, heisst das noch lange nicht, dass sich alle Benutzer sofort auf die neue Version stürzen und ihre Computer damit ausrüsten. Dieser Umstand ist insbesondere dann der Fall, wenn in kürzeren Abständen neue Versionen auf den Markt kommen — denn nicht alle können (oder wollen) mit dem vorgegebenen Tempo mithalten. KMUs und grosse Firmen zum Beispiel können nicht ohne Weiteres alle ihre Computer von heute auf morgen mit einer neuen Betriebssystem-Version ausrüsten — das neue Betriebssystem muss zuerst ausführlich getestet werden und in der Folge müssen allfällige Anpassungen am System vorgenommen werden. Dieses Prozedere kann unter Umständen mehrere Monate dauern. Ausserdem ist jedes Update schlussendlich auch eine Geld-Frage — auch wenn diese bei den heutigen Preisen von 20 Franken für ein neues OS nicht mehr umbedingt ein ausschlaggebender Punkt ist.

Dass Fragmentierung durch schnellere Release-Zyklen aber durchaus auftreten kann, beweist Apple mit OS X gleich selbst: Laut einschlägigen Statistiken ist die neuste OS-X-Version Mountain Lion mit 37 Prozent zwar das aktuell verbreitetste Mac-Betriebssystem, die älteren Versionen Snow Leopard und Lion machen aber mit 28 bzw. 27 Prozent mehr als die Hälfte aller Macs aus. Es wird erwartet das Mountain Lion bis im Sommer auf jedem zweiten Mac installiert sein wird, während Snow Leopard und Lion aber weiterhin noch auf je einem von fünf Macs installiert sein dürften.

Das Diagramm zeigt die Verbreitung der verschiedenen Versionen des Mac-Betriebssystems OS X im Internet während dem Monat Februar 2013 (Quelle: NetApplications)
Bei den Zugriffen auf macprime.ch sieht das Bild übrigens etwas aus: 75% Mountain Lion, 13% Lion und 11% Snow Leopard

Diese Fragmentierung wird dann zum Problem, wenn es um System-Updates — sprich Support für das Betriebssystem seitens Apple — geht. Apple gibt nicht transparent bekannt, wie lange eine Betriebssystem-Version noch unterstützt wird. In der Vergangenheit war es meist so, dass nur die jeweils letzte Version noch relativ aktiv von Apple mit Updates versorgt wurde.  Die Unterstützung für die vorletzte Version wurde meist mit der Veröffentlichung des neuen Systems eingefroren. Eine schnellere Release-Kadenz bedeutet also auch, dass ‘ältere’ Versionen, die zwar noch von Millionen Käufern benutzt werden, schneller nicht mehr durch Sicherheits-Updates und Fehlerbehebungen profitieren können. Oder aber Apple zwingt sich — durch erheblichen Mehraufwand — dazu, gleichzeitig mehrere System-Versionen durch stetige Updates zu versorgen. Bereits jetzt aktualisiert Apple nicht nur das aktuelle Mountain Lion und die letzte Version Lion mit neuen Updates, sondern auch die vorletzte Version Snow Leopard wird noch (wenn auch selten) durch Updates bedacht. Dies wohl schlicht deshalb, weil Snow Leopard laut den oben genannten Statistiken aktuell verbreiteter ist als Lion. Eben dieses Szenario dürfte sich ‘verschlimmern’ wenn nun im Jahrestakt ein neues Mac-Betriebssystem auf den Markt kommt.

Die Fragmentierung betrifft aber auch die Kompatibilität von neuen Software-Titeln und -Updates. Hier wird es mühsam für die Entwickler. Natürlich will man als Entwickler meist möglichst auf die neusten Technologien und Möglichkeiten eines System zurückgreifen können — man will aber gleichzeitig die eigene Entwicklung auch einem möglichst grossen Publikum anbieten können. Setzt man als Entwickler also auf eine Technologie oder Möglichkeit des System, die einem erst in einer neueren Version geboten wird, werden Benutzer der alten, aber noch stark verbreiteten Systeme ausgeschlossen. Bei einer stark fragmentierten Plattform müssen also entsprechend Kompromisse eingegangen werden — wodurch die Qualität und der Fortschritt der Apps leiden werden. Googles mobiles Betriebssystem Android kann hiervon ein Lied singen.

Welcher Raubkatze kommt die Ehre zu?

Abgesehen von der Frage wann das neue Mac-Betriebssystem auf den Markt kommen wird, ist nach wie vor völlig unklar wie OS X 10.9 denn überhaupt heissen wird. Nach «Cheetah» (10.0), «Puma» (10.1), «Jaguar» (10.2), «Panther» (10.3), «Tiger» (10.4), «Leopard» (10.5), «Snow Leopard» (10.6), «Lion» (10.7) und «Mountain Lion» (10.8) scheint Apple das Arsenal an möglichen Raubkatzen-Namen bald aufgebraucht zu haben.

Hoch im Kurs stehen aktuell «Lynx» oder «Cougar». Während «Lynx»  im englischsprachigen Gebiet bereits vom Deodorant AXE assoziiert wird, steht «Cougar» auch für Puma oder Berglöwe und scheint deshalb etwas unglücklich. Apple sicherte sich 2003 die beiden Bezeichnungen «Lynx» und «Cougar» als Markenzeichen (damals gleichzeitig mit «Tiger» und «Leopard»). Apple liess aber sowohl das Markenrecht für «Lynx» als auch jenes für «Cougar» im Dezember 2007 bzw. Mai 2008 auslaufen. Angeblich wurden die Papiere für die Schutzerneuerungen von Apple nicht rechtzeitig beim US-Patent- und Markenamt eingereicht.

Eher ausgefallener sind dann Bezeichnungen wie «Säbelzahntiger» — oder auch der «weisse Löwe». Bei letzterem würde jedoch wiederum auf «Lion» gesetzt.

Was bringt OS X 10.9?

Während man beim Namen für OS X 10.9 noch völlig im Dunkeln tappt, gibt es zumindest bezüglich möglicher neuer Funktionen ein paar Gerüchte. Die Spekulationen um die 10.9-Features sind aber sehr dünn gesät und schnell aufgezählt: Das nächste Mac-Betriebssystem soll den digitalen Assistenten «Siri» und die ebenfalls aus iOS bekannten Apple-Karten in einem eignen Programm (oder über den Browser) auf den Mac bringen.

Etwas weiter ausgeholt haben Gerüchteköche, die für OS X 10.9 die Möglichkeit erwarten, iOS-Apps auf dem Mac auszuführen. Dieses Gerücht gab es bereits für die letzten OS-X-Versionen und bleibt wohl auch für OS X 10.9 als «eher unwahrscheinlich» einzuschätzen.

Special Event, WWDC oder schlichte Vorschau?

Bis zu Snow Leopard stellte Apple die neue OS X Version meist an der weltweiten Entwicklerkonferenz «WWDC» vor. Diese Konferenz fand seit 2003 jeweils im Sommer im Moscone Center in San Francisco statt. Lion wurde während dem «Back to the Mac»-Special-Event erstmals gezeigt und bei Mountain Lion setzte man auf keinen Event, sondern liess wie erwähnt zuerst einige Medien einen Blick auf das neue Betriebssystem werfen.

Die diesjährige WWDC könnte vom 10. bis 14. Juni stattfinden — dies ist zumindest der noch einzig-mögliche Termin wenn man einen Blick in die Agenda des Moscone Center wirft. Sollte Apple OS X 10.9 aber erst im Juni zeigen, müsste — für die Einhaltung des Jahrestaktes — das neue Betriebssystem bereits einen Monat später veröffentlicht werden. Dies wiederum ist sehr unwahrscheinlich. Eher wäre in der Folge eine Veröffentlichung im Herbst oder gar im Winter 2013/2014 möglich.

Angenommen also in den nächsten Tagen oder Wochen wird ein OS X 10.9 vorgestellt — entweder per Special Event oder wie letztes Jahr durch eine schlichte Vorschau — und gleichzeitig eine erste Vorabversion an Entwickler verteilt, dann ginge der Vorsatz mit dem Jahrestakt noch auf und 10.9 käme wohl im August in den App Store.

Wir warten also auf OS X 10.9 alias «Unbekannte Raubkatze» — trotz der Nachteile eines bereits nach kurzer Zeit wieder neu aufgelegten Betriebssystems. Wir waren, weil wir schliesslich auf schnellen Fortschritt und Innovation abfahren.

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8 Kommentare

Profilfoto von JeanNicolas

Kommentar von JeanNicolas

Also Mountain Lion ist im Konkurrenzvergleich immer noch top und ich hätte lieber einen neuen Mac Pro vorgestellt ….. und weshalb immer noch Snow Leopard so intensiv genutzt wird, lässt sich wohl nur mir dem geringen Zusatznutzen für Einzelplatzbenutzer und der ungenügenden “Schulung” der Zusatzfunktionen erklären, welche einen Umstieg zum absoluten Must machen würden.

Kommentar von tomtom

Ein Jahrestakt ist viel zu kurzfristig. Gerade für Entwickler wird es mühsam werden, da eine App plötzlich auf 3 - 4 Betriebsystem-Versionen laufen muss. Das zieht extremen Testaufwand nach sich. Auch die Benutzer werden wohl kaum jedes Jahr einen Umstieg mitmachen wollen. Jede Migration ist mit Geld, Zeit und Risiko verbunden. Dazu kommt, dass durch den Betriebssystem-Wechsel performante Systeme oftmals langsamer werden, da sie durch neue, meistens gar nicht benötigte Features belastet werden. Für mich sieht das ganze nach einer schleichenden Taktik zum Erzwingen von Hardwarewechsel aus. Oder etwas böser ausgedrückt: ‘Willkommen Mac-User in der Windows-Welt’.

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Kommentar von JronMasteR

Also ich bin mit dem Jahrestakt auch nicht wirklich zufrieden. Meiner Meinung nach hat auch die Qualität abgenommen. Mit ML hatte ich bis jetzt bedeutend mehr Ärger als mit SL oder Lion. Probleme nach dem der Mac im Sleep Modus war, ständige Unterbrüche im Bereich Audio (unzählige Posts in den Foren), teilweise ewig lange Zeit zum Herunterfahren (trotz SSD)… Zusätzlich ist das Benutzen von 2 Bildschirmen absolut traurig. Apple sollte lieber mal ML noch etwas ausbessern.

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