Apple einigt sich überraschend mit Qualcomm

Im grossen Rechtsstreit zwischen Apple und Qualcomm haben sich die Ereignisse in der Nacht auf heute überschlagen.

Stefan Rechsteiner

Im Prozess in den USA zwischen dem Chip-Hersteller Qualcomm und Apple war gestern eigentlich der erste Tag vor Gericht. Es ging um Chip-Lizenzgebühren – Milliarden von US-Dollars standen auf dem Spiel. Die Jury war auserwählt, die CEO der beiden Unternehmen – Tim Cook und Steve Mollenkopf – hätten in den nächsten Wochen aussagen sollen. Apple forderte 9 Milliarden US-Dollar in angeblich zu viel bezahlten Gebühren an Qualcomm – diese Zahl hätte sogar auf bis zu 27 Milliarden US-Dollar erhöht werden können, wenn das Gericht zum Schluss kam, dass Qualcomm gegen US-Wettbewerbsrecht verstossen hat. Qualcomm wiederum forderte 7 Milliarden US-Dollar an Lizenzgebühren, die Apple und seine Lieferanten seit dem Beginn der Streitigkeiten vor zwei Jahren zurückbehalten hatten. Qualcomm hätte argumentieren können, dass Apple seine Lieferanten dazu angestiftet hat, deren Verträge mit dem Chip-Hersteller zu verletzten – der Betrag für Qualcomm hätte so bis zu 14 Milliarden US-Dollar ansteigen können. Bei Modem-Chips setzt Apple in seinen iPhone- und iPad-Modellen neu vor allem auf Chips vom Qualcomm-Konkurrenten Intel.

Doch dann kam alles anders als erwartet.

Gestern Abend liessen die beiden Streithähne in einer kurzen Mitteilung verlauten, man habe sich geeinigt und werde alle Rechtsstreitigkeiten zwischen den beiden Unternehmen weltweit beilegen – auch jene mit Apples Auftragsfertigern. Die Einigung umfasst eine nicht bezifferte Zahlung von Apple an Qualcomm. Weiter wurde eine sechsjährige Lizenzvereinbarung, rückwirkend auf den 1. April 2019, mit einer Möglichkeit für eine zweijährige Verlängerung, sowie einen mehrjährigen Liefervertrag für Chips unterzeichnet.

Nach der Bekanntgabe der Einigung schnellte Qualcomms Aktienkurs um über 23 Prozent in die Höhe. Apples Aktienkurs hat leicht nachgelassen.

Intel steigt aus dem Markt um 5G-Modems aus

Wenige Stunden nach Apples und Qualcomms Ankündigung folgte eine weitere Überraschung. Chip-Hersteller Intel kündigte an, aus dem Geschäft um 5G-Modems auszusteigen und sich bezüglich 5G stattdessen auf Netzwerk-Infrastrukturen und andere Daten-bezogene Möglichkeiten zu fokussieren. Apple setzt seit den Streitigkeiten mit Qualcomm auf Modem-Chips von Intel. Berichten zufolge bekundete der bekannte Chip-Hersteller aber Mühe mit der nächsten Mobilfunkgeneration, weshalb Gerüchte aufkamen, dass der Streit mit Qualcomm und die Abhängigkeit von Intel für Apple zu einem Problem mit 5G führen könnte. Dass die Meldung von Intel so kurz nach der Einigung zwischen Apple und Qualcomm kam, scheint deshalb nun wohl kein Zufall zu sein. Es stellt sich nun die Frage, ob Intel das Geschäft um 5G-Modems aufgegeben hat, weil sich Apple mit Qualcomm wieder verbrüdert hat, oder ob Apple sich mit Qualcomm geeinigt hat, weil Intel den Mac-Hersteller davor gewarnt hat, man steige aus dem Geschäft um 5G-Modems aus.

Seit Intels Ankündigung kommen nun Spekulationen auf, Apple könnte die Modem-Entwicklungen von Intel aufkaufen – schliesslich war es schon Steve Jobs Philosophie und ist es nun auch Tim Cooks, die wichtigsten Technologien hinter den Produkten, die Apple herstellt, zu besitzen und zu kontrollieren.

2020 iPhone mit Qualcomms 5G-Modem?

Nikkei berichtet derweil, dass Apple für seine nächstjährigen iPhone-Modelle 5G-Modems von Qualcomm kaufen wolle. Für die für diesen Herbst erwarteten Smartphones sei es bereits «zu spät», wird die Quelle vom japanischen Wirtschaftsblatt zitiert. Aber als sich die nun kommunizierte Einigung mit Qualcomm abzeichnete, soll Apple mit dem Testen von Qualcomms 5G-Modems für die 2020er-iPhone begonnen haben.

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