Schweizer Uhren-Chef Biver: «Für jede verkaufte Uhr sollten wir Apple einen Franken geben»

In der neuesten Ausgabe der SRF-Sendung «ECO Talk» hat Moderator Reto Lipp die Uhren-Chefs Jean-Claude Biver (Hublot, TAG Heuer und Zenith) und Jérôme Biard (Eterna und Corum) sowie den Uhren-Onlinehändler Philipp Man (Chronext) an den Gesprächstisch geladen. Zusammen diskutierten sie anlässlich der morgen Donnerstag in Basel startenden Schmuck und Uhren-Messe «Baselworld» über die «Krisen, Emotionen und den richtigen Weg in die digitale Zukunft» der Schweizer Uhren-Industrie. Dabei kam auch Branchen-Aufrüttler Apple zur Sprache.

Stefan Rechsteiner

Die Schweizer Uhrenindustrie solle keine Angst vor der Konkurrenz durch Apple haben, vielmehr müsse man Apple danken, so Jean-Claude Biver, seines Zeichens Chef bei den Schweizer Traditions-Uhrenmarken Hublot, TAG Heuer und Zenit.

Wie es Nick Hayek von der Swatch-Group kürzlich gesagt hat, sei das Gefährlichste für die Schweizer Uhren-Branche, wenn niemand mehr etwas an seinem Handgelenk trage. Das würde auch er «zu 100%» unterschreiben, sagt Biver, «genau das ist die Gefahr, und die Apple Watch hilft uns das zu vermeiden». Apple habe es geschafft, dass viele wieder eine Uhr am Handgelenk tragen. Es sei einfacher jemandem eine mechanische Schweizer Uhr zu verkaufen, der bereits eine Uhr am Handgelenk habe, als jemandem, der seit 40 Jahren nie eine Uhr getragen hat – genau so wie es auch einfacher sei jemandem ein paar Lederschuhe zu verkaufen, der schon während Jahren Nike-Schuhe getragen hat, als jemanden, der immer Barfuss unterwegs war.

Diejenigen, die noch keine Uhr haben, würden sich heute eine Smartwatch kaufen, so Biver. Diese kommen dann auf den Geschmack – werden «Watch Conscious», würden also ein Bewusstsein für eine Uhr entwickeln – und kaufen sich irgendwann eine mechanische Uhr. Das sei die Hoffnung der Schweizer Uhrenindustrie, bestätigt der Uhren-Manager, dessen Marken zum französischen Luxusgüterkonzern LVMH gehören.

Biver witzelt, man müsste eigentlich «für jede Uhr, die wir verkaufen, Apple einen Franken geben».

Dass Biver mit TAG Heuer selbst auch eine Smartwatch lanciert hat, liege darin begründet, dass er sich «auch selbst helfen» wollte – und witzelt, er könne «ja nicht nur auf Apple warten».

Die Schweizer Uhrenindustrie und die IT

Moderator Reto Lipp merkte an, dass die hiesige Branche zwar sehr viel Wissen darin habe, mikroskopisch feine Uhrenbestandteile herzustellen, aber könne die Schweizer Uhrenindustriellen überhaupt auch Informations Technologie?

Biver sieht da durchaus Möglichkeiten und verweist auf die Swatch Group. «Herr Heyek wird uns das beweisen.» Swatch möchte Berichten zufolge auch bald mit einer Connected Uhr auf den Markt kommen. Der Uhrengigant habe «die Mittel, die Grösse und besitze die Industrie» um Eigenentwicklungen anzugehen, so Biver. Er selbst habe bei TAG Heuer auf den Wissenstransfer druch Partnerschaften mit Intel und Google gesetzt, man habe gewissermassen die «Technologie importiert».

Apple verkauft mehr Uhren als die Schweiz

Auf die Schätzungen von 8 Millionen verkaufter Apple-Watch-Uhren im vierten Quartal 2017 angesprochen, fügt Eterna- und Corum-Chef Jérôme Biart an, dass die Schweizer Uhrenindustrie am Ende mit einem Jahresumsatz von 20 Milliarden Franken «eine kleine Industrie» sei. Besonders im Vergleich mit Apple. Seiner Meinung nach müsse man aber keine Angst vor diesen Giganten haben, solange man immer «den Respekt für die Qualität und die Tradition» beibehalte, denn dann, so Biart weiter, stehe der Schweizer Uhrenindustrie weiterhin eine gute Zukunft bevor.

Biver ist der Meinung, dass sich die Technologie nur «dank der Obsoleszenz» fortentwickeln könne. Die «Ewigkeit» der Schweizer Uhren hingegen entwickle sich fort «dank der Kunst und der Tradition». Die Ewigkeit habe «eigentlich keine Konkurrenz», so Biver. Niemand könne deshalb behaupten, dass die Smartwatch eine Konkurrenz für die qualitative hochwertige Schweizer Uhr sei. Die Uhren in den unteren Preissegmenten hingegen hätten aber durchaus grosse Konkurrenz durch die Smartwatches.

Mit ein Grund, warum so wenige Schweizer Firmen auf den Smartwatch-Zug aufspringen sei auch die Marge bei diesen Uhren, vermutet Biver. Die Gewinnspanne sei bei den Smartwatches ungemein kleiner als bei den mechanischen Schweizer Uhren. Technologie bedeute Menge – wenn TAG Heuer 50’000 Smartwatches herstelle, sei das im Vergleich «doch lächerlich». Apple werde in diesem Jahr 30 Millionen Uhren verkaufen, erwartet Biver und fragt rhetorisch, wie man den Preis für 30 Millionen mit einer Produktion von 50’000 vergleichen könne. Deshalb, so Biver weiter, habe man sich bei TAG Heuer gesagt, die eigene Smartwatch müsse von aussen so aussehen wie eine traditionelle TAG-Heuer-Uhr. Man setze auf die gleichen Materialien und die gleiche Qualität. Der Käufer dürfe nicht sehen, dass es eigentlich eine Smartwatch sei. Das alles «kostet dann eben 1600 Franken», man habe dafür aber etwas Exklusives und eine hohe Qualität am Handgelenk.

SRF-Sendung «ECO-Talk: Tickt die Schweizer Uhrenbranche richtig?» mit Jean-Claude Biver, Jérôme Biard, Philipp Man und Moderator Reto Lipp – Gespräch um Apple Watch ab 27:36
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