Quo vadis iTunes?

Manch einer wünscht es sich schon seit 10 Jahren. Oder länger. Doch geändert hat sich bis heute nicht wirklich etwas. iTunes gilt seit einer Dekade bei vielen als «Bloadware», als eine an Funktionen aufgeblähte Software. Wann wird Apple endlich durchgreifen und die unterschiedlichen Haupt-Funktionen in einzelne Apps auslagern – so wie es das Unternehmen unter iOS vormacht? Oder bleibt ein schlankes iTunes weiterhin eine Wunschvorstellung vieler?

Stefan Rechsteiner

iTunes, einst ein wahres Software-Juwel, bekam in der Mitte der Nuller-Jahre derart viele Funktionen von Apple spendiert und wurde zur Verwaltungszentrale so vieler Dinge, dass die Software einigen Kritikern zufolge gar zu einer «Bloadware» wurde. Also zu einem hoffnungslos überladenen Stück Software. Wer es nicht so derb ausdrücken mag, kann iTunes etwas diplomatischer auch als eine Funktions-reiche Software bezeichnen.

Dass iTunes so viel kann, wie es kann, kommt jedoch nicht von ungefähr und hat logische und historisch bedingte Gründe.

Nach den Anfängen mit dem Verwalten der eigenen Musik (und der Hörbücher, und der Internet-Radios) mit allerlei dazugehörigen Funktionen – «Rip, Mix and Burn» – kam natürlich die Musik- und Daten-Synchronisierung mit den iPod hinzu. iTunes wurde zur zentralen Schaltstelle in Apples Digital-Lifestyle-Strategie.

2003 mit der Lancierung des iTunes Music Store wurde dann aus der Medien-Verwaltungs- und -Synchronisations-Software iTunes auch noch eine E-Commerce-Software.

Eierlegende Wollmilchsau

Nur zwei Jahre später wurde iTunes der Umgang mit Videos beigebracht. Im iTunes Store wurde das Angebot von Musik auf Musik-Videos und TV-Serien ausgeweitet – ein Jahr später auch auf Filme und wiederum ein Jahr später zusätzlich auf Bildungsunterlagen mit «iTunes U».

Zwischenzeitlich wurde iTunes ab 2005 ausserdem zu einer Podcast-Software.

Doch damit war natürlich noch nicht Schluss. 2008, als mit der zweiten iPhone-OS-Version der App Store eingeführt wurde, musste iTunes neu auch Mobile-Applikationen verwalten können.

Und 2010 folgte mit der iPad-Lancierung die Möglichkeit, eBooks (oder besser «iBooks») über iTunes zu kaufen und zu verwalten. Diese konnten weder am Mac noch am PC selbst gelesen werden – dazu musste auf das iPad und später auch auf das iPhone ausgewichen werden. Erst viele Jahre später konnten sie dann auch auf dem Mac selbst (aber nicht in iTunes, sondern in einer eigenen App) gelesen werden.

Ebenfalls 2010 startete Apple mit «Ping» ein soziales Musik-Netzwerk, welches direkt in iTunes integriert wurde. Der Erfolg war Ping jedoch nicht gegönnt. Der Dienst wurde zwei Jahre später bereits wieder eingestellt.

Auch die Neugestaltungen mit iTunes 12 und den folgenden Integrationen von Apple Music, Beats 1 und Co. in den letzten drei Jahren haben schlussendlich aus iTunes kein neues iTunes gemacht, wie es sich viele gewünscht hätten, sondern es eigentlich nur neu angemalt.

Wann kommt die Ausschlachtung?

Jahr für Jahr wünscht sich daher ein nicht kleiner Anteil der iTunes-Nutzer, Apple solle das Programm doch endlich komplett überdenken. Beispielsweise in verschiedene einzelne Apps aufteilen wie unter iOS. Von Grund auf neu konzipieren. Oder der Software wenigstens eine komplette Neuprogrammierung bescheren. Eingetroffen ist von dem in all den Jahren nichts. iTunes blieb Good-old-iTunes.

Nüchtern betrachtet waren die Einstellung des erfolglosen «Ping» und die Ausgliederung der elektronischen Bücher in die eigenständige «iBooks»-Mac-App wohl die einzigen zwei grossen Funktionen, die in all den Jahren aus iTunes entfernt wurden. Ansonsten hiess es mit jeder neuen Version: neue zusätzliche Funktionen und Möglichkeiten.

Neue Versionen mit neuen Funktionen sind natürlich grundsätzlich nichts schlechtes, sondern der Sinn der Sache. Aber bei iTunes wäre doch seitens Apple mal etwas Mut angesagt. Sonst ist das Unternehmen schliesslich auch immer weltmeisterlich unterwegs, wenn es darum geht, alte Zöpfe abzuschneiden oder Etabliertes von heute auf morgen mit etwas Neuem zu ersetzen.

Die iBooks-Ausgliederung 2013 mit OS X Mavericks hatten sich viele schon als erstes Anzeichen dafür erhofft, dass die Ausschlachtung von iTunes endlich beginne. Doch bei den iBooks ist es geblieben. Seither wurden keine anderen Haupt-Komponenten der Software mehr aus iTunes ausgegliedert.

Jüngst aber zeichnet sich ein Lichtstreif am Horizont ab – bei Apple könnte zuletzt womöglich nun doch ein Umdenken stattgefunden haben. In den letzten paar Monaten wurde «iTunes Podcasts» in «Apple Podcasts» umgetauft und die Webseiten von «iTunes Preview» wurden zu «Apple Music Preview». In den nächsten Wochen wird überdies auch «iTunes U» in Apples «Podcasts»-App transferiert. Es würde wohl nicht erstaunen, wenn auch dieses Angebot einen neuen Namen erhält – obwohl «iTunes U» in seinem Segment eine sehr etablierte Marke ist. Wir werden es sehen, bereits im September steht der Umzug an.

Es wäre so einfach…

Träumen wir also mal vor uns hin. Für TV-Serien und Filme prädestiniert wäre analog der letztes Jahr in einigen Märkten lancierten «TV»-App bei iOS auch eine solche App für den Mac. Und eine Podcast-App für den Mac, die ihren Namen alle Ehren machen würde. Alle natürlich mit ihren eigenen Stores und der exzellenten iCloud-Anbindung – ganz so, wie es Apple bei der iBook-App ja schon gut vormacht.

Dann bliebe für iTunes noch die Musik: die eigene Musik-Sammlung, der Streaming-Dienst «Apple Music», die Internet-Radiostationen und der iTunes Music Store. Die Software könnte entsprechend gänzlich wieder auf das Anhören und Verwalten von Musik-Titeln und die Verwaltung von Alben und Playlists optimiert werden. Ganz wie «Music» bei iOS.

Irgendwo versteckt könnte iTunes – der «vergangenen Zeit zuliebe» – weiterhin noch für die Verwaltung von iPod, iPhone und Co. genutzt werden. Dafür je nach Medientyp verschiedene Apps nutzen zu müssen, ist einleuchtend keine benutzerfreundliche Lösung. iTunes könnte also weiterhin in «Synchronisations-Belangen» die zentrale Anlaufstelle für alle Medientypen bleiben. Nur versteckt verfügbar ist die Verwaltung der Geräte überdies heute bereits. Sie ist nur dann sichtbar, wenn tatsächlich ein entsprechendes Gerät mit dem iTunes-Computer verbunden ist.

Hürden

So sehr viele auch auf eine Aufteilung von iTunes hoffen, so viel Hürden dürften Apple dazu aber auch im Wege liegen. Um nur ein Beispiel zu nennen: konsequenterweise müsste dann ja auch iTunes für Windows ausgeweidet werden, Apple entsprechend auch für Windows mehrere Apps entwickeln. Oder aber Apple würde für die Nutzer des Computer-Betriebssystems der Konkurrenz den Funktionsumfang limitieren.

Immerhin: Apples Mediensoftware soll bis Ende dieses Jahres in den «Windows Store» kommen. Dafür muss Apple aber noch einige Anpassungen an der Software vornehmen.

Ein Schelm, wer denkt, das wäre ein geeigneter Zeitpunkt um iTunes ganz generell auf den Seziertisch zu legen.

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