CO₂-Zertifikate in der Kritik: Wie klimafreundlich ist die neue Apple Watch wirklich?

Apple gilt als Vorreiter bezüglich klimagerechter Produktion. Bei der Ankündigung, die neusten Modelle der Apple Watch seien CO₂-neutral produziert, wittern Klimaschützer jedoch Übertreibungen. Sie bezichtigen den Konzern eines eigentlich unnötigen «Greenwashings».

Manuel Reinhard

Die kürzlich veröffentlichten Apple Watch 9 und Apple Watch Ultra 2 waren Meilensteine für Apple: Der Konzern feierte die beiden Uhr-Modelle als seine ersten CO₂-neutralen Produkte. Dies sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum erklärten Ziel, ab 2030 komplett klimaneutral zu operieren.

Klimaschützer reagierten jedoch verhalten. Das «NewClimate Institute» aus Köln veröffentlichte eine Stellungnahme, in welcher es die angebliche Klimaneutralität der Apple-Uhren als «masslose Übertreibung» bezeichnet. Zwar seien die Bestrebungen des Mac-Herstellers zur Verbesserung seiner CO₂-Bilanz bemerkenswert, doch reichten diese bei Weitem noch nicht, um eine neutrale Wirkung auf die Umwelt zu erreichen. Dazu setze der Konzern zu stark auf CO₂-Zertifikate.

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Die Apple Watch 9 bestehe zu 30 Prozent aus recyceltem oder erneuerbarem Material, meldet Apple. (Apple)

Umstrittene CO₂-Kompensationen

Apple betont zwar, nur «hochwertige» Zertifikate einzukaufen, doch wie ZEIT Online schreibt, sollte die Qualität solcher Kompensationen generell genauer unter die Lupe genommen werden. Im Mai veröffentlichte die deutsche Zeitung gemeinsam mit dem britischen Guardian eine Recherche, in welcher der weltweite Zertifikats-Handel durchleuchtet wird. Besonders die Organisation Verra, mit welcher auch Apple zusammenarbeitet, steht dabei im Kreuzfeuer. Die durch sie vertriebenen CO₂-Kompensationen seien, so die ZEIT, «ein Haufen Schrott». Die Zertifikate würden die kompensierten Emissionen um ein Vielfaches überbewerten und beruhten unter anderem auf übertriebenen Abholzungsprognosen.

Tatsächlich hat Apple auf die Recherchen bereits reagiert. In einer Fussnote seines aktuellsten «Fortschrittsberichts zum Umweltschutz» informiert der Konzern, für das Jahr 2022 die angerechneten CO₂-Kompensationen aus zwei besonders umstrittenen Projekten, «Alto Mayo» in Peru und «Chyulu Hills» in Kenia, rückwirkend zurückgezogen zu haben. Dies hat die Plattform Trending Topics festgestellt.

Auch Fragezeichen bei grüner Energie

In der Kritik steht Apple auch bezüglich seiner Behauptung, die neuen Watch-Modelle seien zu 100 Prozent mit erneuerbarer Energie hergestellt worden – und würden sogar mit solcher betrieben.

Zwar arbeitet Apple laufend daraufhin, dass auch seine Zulieferer vermehrt «sauberen Strom» beziehen. Wichtige Apple-Lieferanten wie «Hon Hai» (Foxconn) und «Pegatron» aus Taiwan hätten in den letzten beiden Jahren jedoch erst Anteile erneuerbarer Energie von sechs bis acht Prozent gemeldet. Damit zweifelt das «NewClimate Institute» unverblümt an, dass die Watch das hoch-gesteckte Ziel bereits erreicht haben könnte.

Skeptisch sieht das Institut weiter Apples Ansatz, mit eigenen Solar- und Windanlagen die voraussichtlich durch die Benutzer und Benutzerinnen verwendete Strommenge für die Nutzung der Watch selbst zu produzieren und entsprechend zu kompensieren. Dass alle Eigentümer der Apple Watch auf ebenso sauberen Strom setzten und der Deal damit aufgehe, dürfe bezweifelt werden. Oder wie es die ZEIT formuliert: «Kann Windenergie in Chile den Kohlestrom aus Deutschland ausgleichen?»

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Mit Bildern wie diesem unterstreicht Apple seinen Anspruch, klimaverträglich zu produzieren. (Apple)

Apple als Vorreiter anerkannt

Das «NewClimate Institute» sieht Apple durchaus als Vorreiter bezüglich Klimaschutz innerhalb der Tech-Branche. Die bereits umgesetzten und angestrebten Massnahmen in den Bereichen Recycling, Transporteinsparungen und dem Einsatz erneuerbarer Energie seien wichtige Schritte innerhalb eines «stromhungrigen und verbrauchsintensiven» Markts.

Das Institut rät dem Mac-Hersteller, seine Glaubwürdigkeit diesbezüglich nicht durch auf wackligen Beinen stehende Übertreibungen zu gefährden. So würden gleichzeitig auch Mitbewerber weniger in Versuchung geraten, die eigenen Bemühungen zu positiv darzustellen. Auch sei eine ehrliche Kommunikation wichtig, um Käufern und Käuferinnen von Apple-Produkten bewusst zu machen, dass der Konsum von Elektrogeräten einen Einfluss auf das Klima habe.

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