AAPL: Krisengeschüttelte Aktie und Apples «Fiscal Cliff»

Die Apple-Aktie schloss am Freitag bei 527.68 US-Dollar, so tief wie seit sechs Monaten nicht mehr. Mit einem Aktienkurs von unter 530-US-Dollar fiel auch die Marktkapitalisierung erstmals seit Anfang Mai wieder auf unter 500 Milliarden US-Dollar. Seit dem Allzeithoch von gut 705 US-Dollar vor erst zwei Monaten hat Apples Aktie damit an der New Yorker Technologiebörse NASDAQ ein Viertel an Wert verloren. Gründe für den anhaltenden Abwärtstrend sind schnell gefunden — die Frage ist vielmehr, ob und wann es denn wieder nach oben gehen wird.

Das Allzeithoch wurde Mitte September erreicht — damals stellte Apple das iPhone 5 vor und veröffentlichte iOS 6. Seither ist der Aktienkurs im Sinkflug.

Das Karten-Debakel mit der Vorstellung von iOS 6

Die neue Karten-App in iOS 6 ist eine der Hauptfunktionen der neusten iOS-Version — dass gerade diese bei der Vorstellung im vergangenen Sommer noch als ‘bahnbrechende Neuerung’ bezeichnete Funktion derart floppen würde, dürfte als einer der Auslöser des Abwärtstrends gelten. Zum einen ist es die Gipfelung der «nicht ganz fertigen Produkte», die bereits mit der Einführung von Siri vor einem Jahr begonnen hatte. Das Debakel ging sogar soweit, dass Apple CEO Tim Cook sich in einem öffentlichen Schreiben für die schlechte Qualität der Karten entschuldigte und dazu rat, auch Alternativen auszuprobieren.

Lieferschwierigkeiten

Das iPhone 5 verkauft sich so gut wie kein anderes iPhone — am ersten Verkaufswochenende wurden über 5 Millionen iPhone 5 an die Frau und an den Mann gebracht. Neuer Rekord. Doch die Fertigung des neuen iPhone 5 kommt der grossen Anfrage nicht nach. Die Situation scheint sogar derart schwierig zu sein, dass ein Hon Hai Manager gesagt hat, dass Foxconn nicht so viele iPhone 5 herstellen könne, wie sie sollten. Das iPhone 5 sie zudem das schwierigste Gerät, welches Foxconn je hergestellt habe. Verschiedene Analysten befürchten nun, dass sich diese Lieferschwierigkeiten als ‘schlechte’ Verkaufszahlen im wichtigen Weihnachtsquartal niederschlagen könnten. Auch beim iMac sorgen angebliche Lieferschwierigkeiten aktuell für keine guten Schlagzeilen.

Verfehlte Quartalsergebnis-Erwartungen

Apple hat im vergangenen Quartal zwar erneut blendende Zahlen präsentiert, jedoch erwartete die Wall Street noch bessere Zahlen. Nachdem Apple über viele Quartale hinweg jeweils die Erwartungen der Analysten übertreffen konnte, war dies in den letzten beiden Quartalen nicht mehr der Fall.

Abgänge im Management

Die Abgänge von Retail-Chef John Browett und iOS-Chef Scott Forstall trugen auch ihren Teil zum Sinkflug der Apple-Aktie bei. Zwar werden beide Abgänge in der Branche als mehrheitlich positives Zeichen interpretiert, trotzdem brachten die Veränderungen im Management kein grosses neues Vertrauen in die Apple-Aktie. Die Auswirkungen dieser Management-Veränderungen auf die Produkte dürften frühestens in den nächsten Monaten allmählich sichtbar werden. Die kurzsichtige Börse sieht in den Veränderungen schlussendlich ein Abgang von zwei hochkarätigen Managern. Und damit ein schlechtes Zeichen für das Wertpapier.

Stärker werdende Konkurrenz

In der Smartphone-Branche erhält Apples iPhone mit günstigen Android-Geräten immer grössere Konkurrenz. Aber auch Geräte im höheren Preissegment — wie das Samsung Galaxy S III — werden immer beliebter. Vor allem auch im Tablet-Markt weht Apple ein stetiger Wind entgegen. Hier sind es vor allem die aggressiv günstigen Android-Tablets, die dem iPad den Markt streitig machen. Apples Marktanteil bei den Tablets ist auf gut 50 Prozent geschrumpft. Das iPad mini soll nun wieder etwas Boden gut machen. Der nicht ganz günstige Preis des iPad mini kam wiederum nicht sonderlich gut bei der Wall Street an. Es wird sich nun zeigen, wie gut sich das iPad mini im Weihnachtsgeschäft tatsächlich behaupten kann.

Anhaltende Rechtsstreitigkeiten

Auch die weltweiten Rechtsstreitigkeiten, in die Apple verwickelt ist, gehen nicht spurlos an Apples Aktie vorbei. Nicht zuletzt bedeuten diese auch ein finanzielles Risiko — wobei die Kriegskasse von Apple bekanntlich sehr gut gefüllt ist. Trotzdem haben die Streitigkeiten einen negativen Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung von Apple.

Druck nach Revolution und Innovation

Mit den iPhones, iPads, dem App Store und anderen Produkten hat sich Apple in den letzten Jahren eine Aura einer äusserst Innovativen Firma aufgebaut. Zwar war Apple schon seit Jahren eine sehr innovative Firma, aber seit dem iPhone-Hype wird diese Aura in der Öffentlichkeit viel präsenter wahrgenommen. Apple steht nun unter Druck, mindestes jedes Jahr etwas «revolutionäres» vorzustellen. Jede neue iPhone- oder iPad-Generation sollte demnach eine Revolution darstellen. Sogar das nahezu perfekte iPhone 5 enttäuscht angeblich, weil es keine Revolution bietet. Alle Welt wartet auf das «nächste grosse Ding» von Apple. Kommt dieses nicht, wird Apple in der breiten Öffentlichkeit immer mehr als «normale» Firma wahrgenommen.

Wieder bessere Zeiten vor uns?

Verschiedene Analysten gehen nach wie vor davon aus, dass Apples Wertpapier wieder bessere Zeiten bevorstehen: RBC Capital und R.W. Baird sehen ein AAPL-Kursziel von 750 US-Dollar, Barclays sieht die Aktie weiterhin bei 800 US-Dollar, Piper Jaffray bei 900 US-Dollar. Avi Gilburt schreibt für MarketWatch, dass die Aktie wohl noch bis gut 500 US-Dollar sinken dürfte, bevor es wieder bergauf geht. Auch Jason Schwarz von Seeking Alpha sieht ein baldiges Überwinden des derzeitigen «Fiscal Cliff».

Die letzte Handelswoche

Das Wochentief wurde mit 507.58 US-Dollar am Freitag erreicht.
Am Montag startete das Papier mit einem leichten Plus in die neue Handelswoche — dies aufgrund des HTC-Lizenzabkommens und den guten Wirtschaftsaussichten aus China. Am Mittwoch resultierte ein leichtes Minus — neben den oben genannten Gründen dürften zusätzlich die Budget-Diskussionen in Washington und das aufflammen der Krise im mittleren Osten auf den Kurs drücken. Am Donnerstag sank der Börsenwert erstmals seit Mai 2012 wieder unter 500 Milliarden US-Dollar. Am Freitag konnte der Kurs — trotz Wochentief am Morgen — zumindest mit einem kleinen Tagesplus schliessen. Im Wochenverlauf verlor die Aktie jedoch 19.38 US-Dollar bzw. 3.54 Prozent an Wert.

Ausblick

Die neue Woche könnte positiven starten: Im vorbörslichen Handel steht das Papier aktuell bei gut 534 US-Dollar (+1.2 Prozent).

Von Stefan Rechsteiner
Veröffentlicht am

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3 Kommentare

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Kommentar von tho

Was meiner Meinung nach ebenfalls unterschätzt wird, ist die Verschiebung von iTunes 11. Wenn dies nun auch nach Verspätung nicht ein paar grundlegende Verbesserungen aufweist und einschlägt, sehe ich leider dem negativen Trend noch nichts entgegenzusetzen.

Bin gespannt auf das angekündigte Pro-LineUp für 2013 und das grosse Fragezeichen um den AppleTV.

Kommentar von Glider

Ich bin nicht Aktionär, deshalb interessiert mich der Börenskurs überhaupt nicht. Aktuell beunruhigt mich aber der iMac ungemein. Seit Wochen kann er weder gekauft, geschweige denn vorbestellt werden. Wieso das? Wieso kann ich im Apple Store keinen iMac für Weihnachten kaufen? Die Lieferfrist könnte ja trotzdem mit ein paar Wochen angegeben werden, aber fürchten die sich selbst vor der zu erwatenden hohen Nachfrage? Ich kann einfach nicht nachvollziehen, weshalb der wichtigste Computer der Firma im wichtigsten Quartal nicht lieferbar ist.

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