Die Apple Vision Pro im Schweizer Alltag

Ein persönlicher Erfahrungsbericht aus der macprime-Redaktion

Die Apple Vision Pro ist vorerst nur in den USA erhältlich, doch ein Exemplar hat trotzdem seinen Weg zu macprime gefunden. Für eine Woche hat macprime-Redaktor Manuel Reinhard den neuesten Streich von Apple in seinen Alltag integriert. Manuel war besonders darauf gespannt, wie gut der erste «räumliche Computer» von Apple schon jetzt für den Einsatz in der Schweiz geeignet ist und ob das Gerät ihn im täglichen Gebrauch überzeugen kann.

Manuel Reinhard

Der erste Eindruck

Der erste Eindruck, den die Apple Vision Pro hinterlässt, ist unverkennbar der eines hochwertigen Apple-Produkts. Schon kurz nach Aufsetzen bestätigt sich, was vorab in zahlreichen Reviews berichtet wurde: Die Technologie ist schlichtweg beeindruckend. Die Art und Weise, wie Programmfenster im Raum schweben, entspricht genau dem, was ich mir vorgestellt hatte – die Darstellung ist kristallklar und absolut scharf.

Die Bedienung erweist sich als äusserst intuitiv. Die Steuerung erfolgt durch Blickrichtung und das Zusammenkneifen der Finger. Zwar landet man nicht bei jedem Versuch exakt auf dem gewünschten Menüpunkt, aber in den meisten Fällen funktioniert die Auswahl beeindruckend gut. Für jemanden, der bereits Erfahrung mit anderen Apple-Geräten hat, gestaltet sich die Eingewöhnungsphase als kurz und angenehm. Das Verschieben und Anordnen von Programmfenstern im Raum, das Anpassen ihrer Grösse sowie das Scrollen durch das App-Menü oder Webseiten – all das kommt einem so vertraut vor wie die Nutzung eines Mac oder iPhone.

Der Autor in der Apple Vision Pro. Lächeln wird schwieriger mit 600 Gramm auf den Wangen. (macprime / Manuel Reinhard)

Einzig bei der Nutzung der virtuellen Tastatur stosse ich bald auf eine Herausforderung. Das Tippen mit den Fingern, bei welchem man merkwürdigerweise teilweise durch die Tasten hindurchdrücken muss, wie auch die alternative Tippmethode durch die Auge-Fingerkneif-Steuerung erweisen sich als langsam und anfällig für Eingabefehler. Ich fühle mich erinnert an die ebenfalls umständliche Eingabe von Texten mit der Apple Remote.

Einen weiteren positiven ersten Eindruck hinterlässt das mitgelieferte Solo Knit Headband. Dieses ist nicht nur bequem, sondern lässt sich auch leicht in der Grösse anpassen und sorgt spürbar für sicheren Halt der Vision Pro.

Wie schweiz-tauglich ist die Vision Pro heute?

Zuallererst: Ja, es ist absolut möglich, mit der Apple Vision Pro «10vor10» oder ein Skirennen mit Marco Odermatt zu geniessen. Die Apple Vision Pro kann mit einer Schweizer Apple-ID eingerichtet werden und bietet so Zugriff auf alle vorinstallierten Apps sowie auf die eigene «Fotos»-Mediathek. Dies ist die erfreuliche Nachricht für alle, die besorgt waren, ob das Gerät überhaupt ausserhalb der USA funktioniert.

Doch gibt es eine wichtige Einschränkung: Apps aus dem App-Store und Inhalte in der TV-App sind aktuell nur mit einer US-amerikanischen Apple-ID zugänglich. Wer über keine solche verfügt, dem steht bloss eine inhaltlich stark eingeschränkte Version des räumlichen Computers zur Verfügung. Zwar strebt Apple eine rasche Erschliessung weiterer Märkte an, doch wann die Apple Vision Pro offiziell für die Schweiz, und damit mit den hiesigen TV-Inhalten und dem lokalen App-Store, verfügbar sein wird, ist noch unbekannt.

Die Direktübertragung des Schweizer Unihockey-Cupfinals der Frauen im Schweizer Fernsehen liess sich auch in der Apple Vision Pro geniessen. (Screenshot in Apple Vision Pro)

Wer eine US-Apple-ID besitzt, stösst jedoch kaum auf Hindernisse. Viele schweiz-spezifische Apps, wie die Apps zu den Tageszeitungen des Tamedia-Verlags oder die News- und Sport-App des Schweizer Radio und Fernsehen «SRF», lassen sich auch aus dem US-Store herunterladen und bieten Zugang auf alle entsprechenden lokalen Inhalte.

Auch besteht mit Safari auf der Apple Vision Pro Zugriff auf alle über den Browser erhältlichen Inhalte. Über diesen Weg habe ich auf meinen Account bei «blue TV» zugegriffen und so meine gewohnte Auswahl von Fernsehsendern und bestehenden Aufnahmen genossen.

Eine glanzvolle Unterhaltungsmaschine

Die Stärken der räumlichen Welt innerhalb der Apple Vision Pro kommen im Bereich der Unterhaltung voll zur Geltung.

Das Gerät bietet beeindruckende immersive Erlebnisse. Wenn in «Encounter Dinosaurs» Urzeitechsen ins eigene Wohnzimmer hineinblicken, fühlt sich das verblüffend echt an. Der Apple-Kurzfilm «Adventure» schafft es, beim Balance-Akt auf einer dünnen Highline über einem norwegischen Fjord echte Höhenangst zu erzeugen. In der App «AmazeVR» kommt einem die Sängerin Zara Larsson so nahe, dass es fast unangenehm wird, und ein Wohnzimmerkonzert mit Alicia Keys gibt einem das Gefühl, sie halte ihren Auftritt nur für einen selbst. Zwar ist das Angebot solch beeindruckender Inhalte – «Apple Immersive Video» – noch begrenzt, doch ist abzusehen, dass Apple und die Unterhaltungsbranche in diesem Bereich noch viel Neues bringen wird.

«Encounter Dinosaurs» ist die Must-See-App für alle, die eine Apple Vision Pro ausprobieren. (Apple)

Auch herkömmliche Filme erreichen auf der Apple Vision Pro eine neue Dimension der Faszination, besonders im Kinomodus. Ich fühlte mich in meinen kürzlichen USA-Urlaub zurückversetzt, als ich im virtuellen «Joshua Tree National Park» sitzend auf einer scheinbar riesigen Leinwand einen Film geniessen konnte. Über 150 Filme sind in Apple TV zudem im 3D-Modus verfügbar, die im räumlichen Computer, in welchem jedes Auge auf einen eigenen Monitor blickt, besonders überzeugend wirken.

Die Möglichkeiten, 3D-Objekte im eigenen Raum zu platzieren und zu erkunden, bieten sowohl Bildungs- als auch Unterhaltungswert. Mit Apps wie «JigSpace», dem «Museum That Never Was», oder der Website beautifulthings.xyz können Objekte nicht nur in drei Dimensionen erkundet werden, sondern auch dekorativ im virtuellen Raum verteilt werden. Ein Formel-1-Auto in Originalgrösse im Wohnzimmer zu zerlegen, während Schmetterlinge durch den Raum fliegen, ist faszinierend und macht unglaublich Spass.

Auch im Bereich der Spiele zeigt die Apple Vision Pro ihr Potenzial, obwohl die Auswahl der Apps, welche die 3D-Welt voll ausnutzen, noch begrenzt ist. Spiele wie «Sea Battle (Schiffe versenken)» demonstrieren eindrucksvoll, wie klassische Brett-, Papier- oder Kartenspiele durch die neuen technologischen Möglichkeiten bereichert werden können.

Der Nachteil all dieser beeindruckenden Erfahrungen ist allerdings, dass man sie stets alleine in der virtuellen Welt erlebt. Ich hätte mir gewünscht, diese Momente mit anderen teilen zu können. Zwar lässt sich der Inhalt der Vision Pro via AirPlay auf ein anderes Gerät streamen, doch ohne den räumlichen Effekt geht ein Grossteil des Reizes verloren.

Zwischen Erwartung und Realität: Die Apple Vision Pro bei der Arbeit

Ich hegte auch grosse Hoffnungen, die Apple Vision Pro für die Arbeit nutzen zu können. Insbesondere die Aussicht, damit vielleicht sogar auf dem Balkon arbeiten zu können, wo das Tageslicht sonst im MacBook-Bildschirm stört, war verlockend. Doch leider musste ich feststellen, dass die Realität meinen Erwartungen nicht gerecht wurde.

Die Verbindung des eigenen Mac mit der Apple Vision Pro gelingt zwar fast wie durch Magie: Es reicht, mit der aufgesetzten Vision Pro den eigenen Mac anzuschauen und dann auf die Schaltfläche zu klicken, die über dem Bildschirm erscheint – schon schwebt das virtuelle Mac-Display im Raum (vorausgesetzt auf beiden Geräten wird die gleiche Apple-ID verwendet). Auch die Tastatur und Maus des Mac verbinden sich dabei automatisch mit der Vision Pro, sodass neben dem virtuellen Mac-Display auch native Apps des Headsets bedient werden können.

Aber genau hier beginnen die Probleme. Diese Arbeitsweise erweist sich als wenig produktiv. Die intuitive Bedienung, welche die Vision Pro eigentlich auszeichnet, geht in diesem Szenario verloren. Die nativen Apps sind entweder für die Vision Pro oder, bei kompatiblen Apps, für das iPad ausgelegt, was die Bedienung mit der Maus ungewohnt macht. Die Inhalte auf dem virtuellen Mac-Display hingegen lassen sich nicht mit Augen und Fingern steuern. So fand ich mich immer wieder den passenden Bedienmodus suchend, was meine Arbeitsweise deutlich verlangsamte. Dass dabei aufgrund des virtuell im Raum beanspruchten Platzes der verwendeten Applikationen viel mehr Kopfbewegungen nötig sind als am normalen Bildschirm, macht die Sache auch nicht gerade entspannter.

Während sich diese Herausforderungen mit etwas Übung und Gewöhnung vielleicht eliminieren liessen, ist das eigentliche Problem jedoch die Lesbarkeit des virtuellen Mac-Displays. Auch beim Versuch mit verschiedenen Bildschirmauflösungen und Darstellungsgrössen kommt das virtuelle Display nicht annähernd an den Sehkomfort meines Studio Displays heran. Obwohl Inhalte in nativen Apps messerscharf dargestellt werden, bleiben die Darstellungen der Mac-Inhalte schwer lesbar und wirken schnell ermüdend. Gemäss einigen Stimmen hat das Update auf visionOS 1.1 diesbezüglich jedoch bereits Verbesserungen gebracht.

Links der mit den Augen und Fingern bediente integrierte Safari-Browser auf der Apple Vision Pro, rechts das Virtual Mac Display, welches mit der Maus bedient wird. (macprime / Manuel Reinhard)

Gemischte Alltagserfahrungen

Als iPhone und Apple Watch in mein Leben traten, eroberten diese Geräte rasch ihren Platz in meinem Alltag. Jedes dieser Geräte füllte eine Lücke, bot konkrete Lösungen und weckte Vorstellungen, wie zukünftige Generationen tagtägliche Abläufe weiter erleichtern könnten. Die Ausgangslage mit der Apple Vision Pro war eine gänzlich andere. Dieses Gerät war nicht eines, auf das ich gewartet hatte; es müsste sich seinen Platz in meinem Leben erst verdienen.

Um der Vision Pro eine faire Chance zu geben, integrierte ich sie in verschiedene Alltagssituationen. Beim Zubereiten des Abendessens trug ich sie und platzierte meine Lieblingsserie virtuell hinter den Kochtöpfen. Vor den Backofen klebte ich einen nur für mich sichtbaren Timer, der mich wissen liess, wann die Backzeit abgelaufen war. Sportereignisse schaute ich, als sässe ich auf einem Vulkan in Hawaii. E-Mails checken, Spielen, Nachrichten lesen und Videocalls führen – all das versuchte ich in der neuen, virtuellen Umgebung.

Manchmal war das Erlebnis derart überzeugend, dass ich beim Abnehmen des Headsets überrascht war, die Serie nicht mehr über meinem Kochherd schweben zu sehen. Doch mehr und mehr überwog die Unlust, das immer schwerer wirkende Gerät aufzusetzen. Neben der ständigen Frage nach dem «Warum» gibt es technische Einschränkungen, die nicht zu meinem Alltag passen.

Ein herausstechendes Problem ist die Abhängigkeit der Apple Vision Pro von heller Beleuchtung. Wer entspannt im gedämmten, bei mir mit Philips Hue durch-optimierten, Abendlicht einen Film auswählen möchte, wird von der Vision Pro aufgefordert, die Lampen heller zu drehen – oft heller, als es für andere im Raum angenehm ist.

Weiter lädt die Bedienungsweise des Geräts dazu ein, dieses im Liegen zu verwenden – bloss sind die Inhalte dafür nicht optimiert. So fand ich mich oft in den virtuellen Sternenhimmel schauend wieder. Das mag zwar der Körperposition entsprechend realistisch sein, doch ist Realismus nicht der Beweggrund, weshalb man in eine virtuelle Welt eintauchen möchte. Störend wird dies spätestens dann, wenn immersive Inhalte nur aufrecht sitzend betrachtet werden können, da es keine Möglichkeit gibt, das Gerät davon zu überzeugen, dass die Horizontale nun die Vertikale bilden soll. Eine Schwäche, welche in künftigen Generationen möglicherweise behoben werden wird. Das iPhone bot in seinen ersten Tagen auch noch keine Möglichkeit zum Sperren der Bildschirmausrichtung, was für vergleichbare Probleme bei der Nutzung im Liegen führte.

Letztlich war ich oft aber auch einfach gehemmt, die Apple Vision Pro anzuziehen. Trotz hervorragendem «Pass-Through»-Video und einigermassen sichtbarem «EyeSight» blieb das Bewusstsein, sich von den Mitmenschen in meinem Umfeld abzukapseln. Im Gegensatz zum Smartphone, das schnell beiseitegelegt werden kann, um ein spontanes Gespräch zu führen, bleibt das Headset eine sichtbare Barriere für die Kommunikation.

Trotz aller Experimentierfreude und der Bereitschaft, der Apple Vision Pro einen festen Platz in meinem Alltag zu geben, konnte sich das Gerät während meiner Testphase nicht durchsetzen. Das könnte daran liegen, dass speziell für mich relevanten Inhalte und Anwendungen bisher nicht existieren. Für Liebhaber von Profi-Golf oder US-Basketball mag die Vision Pro dank bereits verfügbarer Apps eine echte Bereicherung sein. Es besteht also die Möglichkeit, dass die für meine Interessen und Bedürfnisse passende Nischen-App einfach noch nicht entwickelt wurde. Die Tatsache, dass mir jedoch keine konkrete Anwendung einfällt, die dieses Gerät für mich unverzichtbar machen würde, spricht möglicherweise gegen meine eigene Kreativität, vielleicht aber auch gegen die generelle Nützlichkeit eines VR-Headsets in meinem persönlichen Alltag.

Die Zeit wird es zeigen.

Die Zukunft beginnt heute

Die Apple Vision Pro markiert zweifellos einen Meilenstein in der technologischen Entwicklung. Die intuitive Bedienung durch Augen und Finger ist beeindruckend. Das Betriebssystem lässt sich problemlos navigieren, und selbst belächelte Funktionen wie «Personas» und «EyeSight» vermögen trotz ihrer Schwächen zu beeindrucken.

Natürlich offenbart die aktuelle Version auch die typischen Mängel einer ersten Generation. Einige Apps zeigen Fehler, das Anbringen des Stromkabels gestaltet sich manchmal problematisch, und beim Aufstarten des Geräts sitzt man 30 Sekunden im Dunkeln, bis es einsatzbereit ist. Doch das sind Herausforderungen, die mit zukünftigen Generationen sicherlich behoben werden.

Für heutige Anwender und Anwenderinnen bietet die Apple Vision Pro vorwiegend ein aussergewöhnliches, persönliches Home-Cinema-Erlebnis. Das Gerät überzeugt beim Abspielen von Medien und schafft beeindruckende Erlebnisse in 2D, 3D sowie in immersiven Filmen. Hier könnte vielleicht sogar der Grund liegen, warum Apple die Entwicklung eines eigenen Fernsehers nicht weiterverfolgt hat. Die Frage stellt sich durchaus: Warum sollte ein grosses Fernsehgerät im Wohnzimmer aufgestellt werden, wenn es eine bessere Erfahrung auf einer riesigen virtuellen Kinoleinwand geben kann? Voraussetzung für eine weite Verbreitung wäre allerdings, dass die Vision Pro zu einem erschwinglichen Preis angeboten wird, sodass jedes Familienmitglied sein eigenes Gerät besitzen kann. Auch muss das Filmerlebnis in der virtuellen Welt vom rein privaten zu einem gemeinschaftlichen Vergnügen werden.

Bezüglich des produktiven Einsatzes in der Arbeitswelt, wie von Apple beworben, scheint die Vision Pro jedoch noch einen langen Weg vor sich zu haben. Es mangelt nicht nur an technischen Fähigkeiten, sondern auch an überzeugenden Anwendungsfällen für viele Büroarbeiten. Ausnahmen bilden spezifische Berufsgruppen wie Architekten, bei denen das Design und die Erstellung dreidimensionaler Produkte im Vordergrund stehen.

Ich bin zuversichtlich, dass sich die Technologie hinter der Apple Vision Pro und ähnlichen Produkten weiterentwickeln wird, bis sie irgendwann die Form einer Lesebrille oder sogar einer Kontaktlinse annehmen könnte. Für ein solches Szenario habe ich in diesem Praxistest durchaus Anwendungsfälle gefunden, in denen die virtuelle Welt meinen Alltag sinnvoll oder unterhaltend ergänzen könnte. Gerne begleite ich die Apple Vision Pro auf ihrem Weg dorthin – in der realen Welt.

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